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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein
Autoren: Gitta von Cetto
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Anna brannte es unter den
Fingernägeln, endlich ungestört arbeiten zu können. Aber jetzt saß sie zunächst
einmal wieder auf der Achse zwischen Berlin und Davos, im Fond schlummernd und
diesmal rechtzeitig mit Mittelchen traktiert Bibi; neben Anna, zerstreut, immer
weit weg mit ihren Gedanken, ihre Jüngste. Natürlich steckte ein Mann dahinter.
Anna wußte auch, daß es Lester war. Aber viel weiter war sie in den Dschungel
jugendlicher Gefühle nicht gedrungen, denn Franzi verschloß sich ihr wie eine
Auster. Ausgerechnet Franzi, von der Anna geglaubt hatte, sie würde immer wie
ein aufgeschlagenes Buch, das nur heitere Seiten hatte, vor ihr liegen, war ihr
nun plötzlich meilenweit entrückt.
     
    Franzi hatte ihre Rückkehr nach
Berlin immer wieder um eine Woche verschoben. Und als sie dann endlich kam,
hatte sie den Einschreibungstermin für das Sommersemester verpaßt.
    »Wenn ich jetzt meinen
Führerschein schon hätte, könnte ich dich ablösen«, sagte sie.
    »Wenn du nicht so lange in
England geblieben wärst, hättest du ihn.«
    »England ist plötzlich das rote
Tuch für dich, Mama. Was hast du eigentlich gegen England?«
    »Ich gegen England? Nicht das
geringste. Wie kommst du darauf?«
    »Immer reitest du auf England
herum. Du merkst es gar nicht.«
    »Nein, das merke ich wirklich
nicht. Wie gut, daß ich Kinder habe, die mich auf meine vielen Fehler
aufmerksam machen.«
    Seit Franzi zurück war,
kabbelten sie sich, ein zäher, scherzhaft geführter, doch manchmal ermüdender
Kleinkrieg.
    »Habe ich dir eigentlich
gesagt, daß Evelyne vielleicht nach Elba kommt? Mit einem Haufen Freunden. Sie
haben eine Jacht gechartert, ich glaube vierzehn oder fünfzehn Leute, und
machen damit eine Mittelmeerfahrt. Sie legen auch in Portoferraio an und in Azzurro«,
berichtete Franzi.
    »Bekomme ich dann Evelynes
Bruder auch mal zu sehen?« fragte Anna so harmlos wie nur möglich.
    »Wahrscheinlich.«
     
    Anna suchte in ihrem Kalender,
wo die Zeit, die zum Hochsommer geführt hatte, eigentlich geblieben war. Ihre
Eintragungen machten große Sätze. »Davos. Bettina sieht blühend aus«, stand da.
»Seggelin ist wirklich ein Fund. Aus gutem Holz geschnitzt. Er erinnert mich an
Frank.« — »Bettina in München abgeliefert. Bernhard lud Bettina, Franzi und
mich zum Abendessen ein und brachte die Neue mit. Bei aller Voreingenommenheit
ein guter Einfall.« — »Am i5ten Scheidungstermin.« — »Hélène schickt Farbfotos
von den drei Kindern. Bibi muß französisch plappern.« — »Brief von Poldi.
Hochzeit mit Nancy für Januar festgesetzt, mit Schleier und Kirchenglocken.« —
»Franzi allmählich wieder die alte, viel anschmiegsamer.« — »Start nach Elba.«
— »Lucca. Bodenplatten ausgesucht.« — »Pisa. Kupplung kaputt.« — »Wieder meinen
Luxuspalast in Elba bezogen.«
    Nichts hatte sich hier
verändert. Hatten die Winterstürme ein einziges Sandkörnchen verschoben? Anna
zweifelte daran. Die smaragdgrünen und bronzefarbenen Eidechsen saßen auf
denselben Steinen wie im vorigen Jahr. Rosmarin, Zistrose und Myrte deckten den
steinigen Boden. Der Ginster, der die Luft mit seinem betäubenden, süßen Duft
gefüllt hatte, war am Verblühen. Der Bungalow trotzte nach wie vor jeglichem Komfort.
Wieder entdeckte sie einen Skorpion. Licht war immer noch nicht da, der linke
Fensterladen klemmte wie im vorigen Jahr, die Eingangstür ließ sich nur öffnen,
wenn man sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegenwarf, und niemand war auf
die Idee gekommen, die schlecht funktionierenden Brenner des Gasherdes zu
entrosten.
    Anna tat es mit einer
Drahtbürste. Patrizia kam angehüpft und brachte einen Brief von Bettina.
Bettina verbrachte den Sommer in Annas Wohnung in Berlin und nahm italienischen
Unterricht in der Berlitz-Schule. Patrizia hatte sich gestreckt in diesem
Winter. Sie machte auch ihre Höschen nicht mehr naß, berichtete sie stolz. Anna
hielt wieder die Kaugummizigarette für sie bereit.
    Renato Buonamico, Patrizias
Vater, hatte einen Kostenvoranschlag für Annas Haus angefertigt. Anna fand ihn
zu hoch und Renato eigentlich auch. Er nahm ihn widerspruchslos wieder mit nach
Hause. Zwei Tage später erschien er mit einem neuen und diesmal akzeptablen.
»Aus Freundschaft«, sagte er. Anna nickte in sein durchtriebenes Gesicht mit
dem treuherzigen Augenaufschlag. Nichts ging über die Freundschaft, die
amicizia.
    Peppo Rocca besuchte Anna am zweiten
Tag ihrer Rückkehr und machte ihr klar, daß er den
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