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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein
Autoren: Gitta von Cetto
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Habe
ich eigentlich klar und deutlich ja gesagt?
     
    An dem Tag, als Franzi
zurückkam, aufgekratzt, übersprudelnd vor Erlebnissen und ebenmäßig braungebrannt
wie eine Haselnuß, erschien der erste Arbeitstrupp. Vier Männer begannen die
Erde für Annas Haus auszuheben. Alles war schön. Anna umarmte Franzi, umarmte
mit ihr die ganze Welt. Die Arbeiter sangen »I bimbi crèscono — le mamma
biancono«. Ja, die Kinder wurden groß und die Mütter grau. Anna, plötzlich
sentimental, geworden, überlegte sich, welchen Sinnspruch sie in ihr Häuschen
einmauern lassen könnte. Immer wieder sah sie Franzis glückliches Gesicht.
    »Einmal haben wir Feueralarm
gegeben, weil es plötzlich weiß von der Kombüse heraufquoll und wir dachten,
die Piccadilly brennt, aber dann war es nur Evelyne, die fünf Liter
Milch hatte überkochen lassen«, erzählte Franzi. »Ach, Mama, es war so
himmlisch.«
    Anna saß neben ihrer Jüngsten
im Gras. Gras war übertrieben, es war stacheliges, ameisenbevölkertes Kraut.
Die vier Männer, mit alten, durchlöcherten Strohhüten auf dem Kopf, arbeiteten
mit Pickel und Schaufel.
    »Der erste Spatenstich, ein
großer Moment«, sagte Anna feierlich.
    Franzi streckte sich aus, die
Hände hinter dem Kopf verschränkt. Die Arbeiter hatten ihre bastumhüllten
Flaschen in den Schatten eines verkümmernden Mispelbaumes gelegt.
    Franzi döste mit geschlossenen
Augen, und Anna konnte sie ungestört betrachten. Sie beobachtete das Pulsieren
der Halsschlagader. Daneben bemerkte sie einen blauen Fleck. Aber sie nahm
rasch den Blick weg, als hätte sie ein Sperrgebiet betreten. Warum sahen Mütter
immer diese Dinge? Hielten sie Ausschau danach? Anna wollte es nicht wissen,
aus irgendwelchen sentimentalen Beweggründen heraus wollte sie einfach nicht
wahrhaben, daß ihre kleine, zärtlich geliebte Franzi eine Frau war, verstrickt
in ihr eigenes Los, in ihre Hoffnungen, in ihre Enttäuschungen. In ihre
Erfüllung? Anna wurde die Brust plötzlich eng. Vielleicht hätte sie sie nicht
Franziska taufen sollen, nicht nach Franzi, mit dem sie nie zusammengekommen
war.
    Franzi schreckte auf wie aus
einem bösen Traum. »Ich glaube, ich war eingeschlafen«, sagte sie.
    Die Kirchenuhr in Capoliveri
schlug zehnmal. Die Arbeiter ließen Pickel und Schaufel stehen. Sie streckten
sich unter den Nespolo, rückten ganz eng zusammen in dem kärglichen Schatten,
packten ihre Brote aus und ließen die Weinflasche kreisen. Manchmal schielten
sie zu Anna und Franzi hinüber. Verrückt, diese beiden Frauen, die da in der
prallen Sonne lagen.
    Es war auch wirklich verrückt.
Anna raffte sich auf. Sie hielt Franzi die Hände hin und zog sie hoch.
    »Komm, wir gehen schwimmen.«
     
    Das Haus wuchs. Es waren jetzt
sieben Arbeiter am Werk. Aber Anna konnte nicht mehr abwarten, bis die
Dachbalken gesetzt waren. Das Richtfest würde man im Frühjahr nachholen. Sie
hatte in Deutschland zu tun. Bettina wurde ungeduldig in Berlin. Sie wollte
Bibi wiederhaben. Die Scheidung war ausgesprochen, das Urteil rechtskräftig
geworden. Seggelin bereitete eine gutbürgerliche Hochzeit in Basel vor.
    »Er läßt es sich einfach nicht
nehmen. Auch sein Vater legt Wert darauf«, schrieb Bettina. »Zu guter Letzt
wird doch noch die Schützengilde > fröhliche Armbrust< aufmarschieren und mir ein Ständchen bringen.«
    Bettina war glücklich und
aufgeregt wie eine Braut der Jahrhundertwende, und Anna war glücklich mit
Bettina.
    Ihre Rückkehr nach Berlin stand
im Zeichen sich häufender Autopannen. Franzi lachte die Mutter aus. »Bist du
eigentlich zu gefühlsduselig oder zu schundig, dir einen neuen Wagen zu
kaufen?«
    »Beides.«
    Aber Anna sah ein, daß es nun
wirklich soweit war. Als sie bei der Einfahrt in die Avus tankte, klopfte sie
ihren Wagen ab wie einen alten Gaul. Das war deine Henkersmahlzeit, mein Guter.
Du kommst zum Abdecker, da hilft alles nichts.
    Franzi schrieb sich in der Uni
ein, sie kämpfte sich durch die Formulare, unterzog sich der vorgeschriebenen
ärztlichen Untersuchung und belegte zu viele und nicht immer die richtigen
Vorlesungen, wie es den Studenten im ersten Semester leicht passiert. Aber
immerhin, der Anfang war gemacht.
    Seit einigen Wochen stand ein
neuer Wagen vor Annas Tür, weinrot, vornehm, nach Lack und Kunststoff und einer
vierstelligen Zahl riechend. Anna und der Wagen hatten sich nicht ganz
gefunden, sie sagten noch Sie zueinander. Dafür hatte Anna das Tagebuch wieder
abgestaubt. »Wie glücklich war
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