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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein
Autoren: Gitta von Cetto
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Bauplatz, den er ihr im
vorigen Jahr um einen >Spottpreis< gelassen hätte, heute bereits um
fünfhundert Lire mehr pro Quadratmeter verkaufen könne. »E nata colla camicia«,
sagte er. Anna sagte »va bene«, wie sie es immer tat, wenn sie etwas nicht
verstand. Später schlug sie nach und fand, daß Peppo sie für ein Glückskind
hielt. Wörtlich übersetzt hieß es: »Mit dem Hemd geboren sein.«
    War sie ein Glückskind? Ja, ich
bin eins, sagte sie sich, während sie den Rost von dem Gasbrenner kratzte.
Franzi sonnte sich unten am Strand. Sie hatte vor ein paar Tagen eine Postkarte
von Evelyne und Lester mit der Nachricht erhalten, daß sie wahrscheinlich gegen
den zwanzigsten August in Elba sein würden. Anna wußte, daß Franzi die Tage bis
dahin zählte und leider auch die Kalorien. Dabei war sie gertenschlank. »Schau
doch mal, wie das quillt«, sagte sie, wenn sie ihren Bikini anzog, und wehe,
wenn Anna ihr widersprochen hätte. Als routinierte Mutter gab sie zu: »Ja, es
quillt ein bißchen. Aber Frauen haben nun mal andere Figuren als Männer.«
    Gleich am ersten Tag hatte Anna
ihre Zwiegespräche mit Filippo wieder aufgenommen. Der Esel Filippo war nicht
mehr allein. Dicht neben ihm war jetzt ein Schaf angepflockt, und auch dies
hatte eine Sprache, die Anna verstand. Anna trug ihre Brotreste zu den beiden.
Filippo nahm sie beglückt mit seinen langen gelben Zähnen, das Schaf dankte.
Als Anna wegging, riefen sie ihr beide nach: »Du bist gut.« Anna war bewegt,
aber nicht überzeugt.
    Die Jacht, mit der Franzis
Freunde erschienen, hieß Piccadilly V , eine wuchtige, schwarze,
altmodische Jacht, der man den Motor wie einen Fremdkörper eingesetzt hatte.
Ein richtiges Piratenschiff mit einer fröhlich schnatternden jungen Mannschaft.
Anna freute sich, die langbeinige, zähnefletschende Evelyne wiederzusehen.
    »Und wie findest du eigentlich
Lester?« fragte Franzi mit belegter Stimme.
    »Er sieht famos aus«, zog sich
Anna aus der Affäre.
    Sie war nicht besonders
eingenommen von ihm, aber sie konnte keinen Grund dafür angeben. Und Franzi
konnte sie das doch keinesfalls sagen. Oder? Sie besprach sich mit Filippo
darüber. Filippo, ein Büschel hartes Gras zwischen seinen eckigen Zähnen
zermahlend, wiegte den Kopf. Nun, du kannst es Franzi nicht unter die Nase
binden, Signora, du würdest sie nur vergrämen. Und was würde es nützen? Kinder
tun, was sie wollen, und vor allen Dingen, was sie tun müssen. Hast du das
vergessen, Signora? Jeder hat sein Schicksal, ich das meine, du das deine,
jeder Bauer, jeder gelehrte Professor, jeder Dorfdepp — und du bildest dir ein,
du könntest für deine Kinder Schicksal spielen? Arme Signora.
    Anna hatte wieder ihren kleinen
wackligen Tisch unter die Feige gerückt. Sie hatte im Meer gebadet und freute
sich auf die Arbeit. Aber da rumpelte ein alter Kleinbus über den holprigen
Weg, tauchte in einer Kurve unter, kam schwankend zwischen den krummen
Olivenbäumen wieder zum Vorschein und hielt schnaubend neben Annas Wagen unter
der Pinie. Aus ihm sprudelten die jungen Leute von der schwarzen Piratenjacht
hervor. Sie umringten Anna und verlangten im Sprechchor die Freigabe ihrer
Tochter Franzi für eine Kreuzfahrt nach Neapel und dann rund um Sizilien. In
einer Woche wollten sie Franzi wohlbehalten wieder abliefern. Für Anna kam der
Überfall unerwartet, aber Franzi stand mit glitzernden Augen mitten unter der
Bande, mitten unter den ihren, sie fiel mit in den Sprechchor ein und umarmte
Anna, als sei die Entscheidung bereits gefallen. Zwei Lachmöwen zeichneten mit
schepperndem Gekicher eine große Kurve in den blauen Himmel, und Filippo, der
für Geselligkeit viel übrig hatte, schrie herüber: Junges Volk, laß sie laufen.
    Lester stand einen Schritt
abseits von der Gruppe. Seine und Annas Blicke trafen sich, und jetzt spürte
Anna ganz deutlich: Wir haben nicht viel übrig füreinander. Es war, als ob sie
die Klingen kreuzten.
    Franzi, an Annas Hals hängend,
wurde weggewirbelt, und niemand achtete mehr darauf, ob Anna ja oder nein
gesagt hatte. Franzi war schließlich zwanzig. Und, mein Gott, da war ein Haufen
junger, fideler Menschen beisammen, und Franzi wollte eben mit dabeisein. Du
hast recht, Filippo.
    Erst als der Spuk vorbei war,
als die jungen Leute armeschlenkernd und lachend den Hang zum Meer hinabliefen,
mitten unter ihnen Franzi, erst als Anna einen Blick auf das blecherne
Ungeheuer warf, das die Bande hierhertransportiert hatte, fragte sie sich:
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