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Ein Hauch von Kirschblüten

Ein Hauch von Kirschblüten

Titel: Ein Hauch von Kirschblüten
Autoren: Kat Marcuse
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Wort schob sich ohne
Vorwarnung in sein Bewusstsein und schnürte ihm den Brustkorb zusammen. Da war
ein Brennen in seinem Inneren, das ihn schier verrückt machte.
    „Scheiße!“
    Vor einer halben Stunde hatte er
sich noch auf das Vorstellungsgespräch gefreut. Jetzt schien das alles keine
Rolle mehr zu spielen. Er stand vor einem Scherbenhaufen und hatte es nicht
einmal kommen sehen. War er wirklich so ignorant? Hätte er etwas tun können,
wenn er es früher bemerkt hätte?
    Ein Klopfen an der Tür ließ ihn
zusammenzucken. Als er sich umdrehte, stand Florian halb in seinem Zimmer. „Wir
müssen darüber reden, wie es jetzt weiter geht.“
    Jan konnte lediglich nicken und
ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen. „Wann muss ich ausziehen?“
    „Ich weiß, dass es nicht leicht
wird, in Hamburg eine Wohnung zu finden, aber mir wäre so schnell wie möglich
am liebsten.“
    Wieso war er nicht mit seinen
Kommilitonen ausgegangen? Die saßen jetzt feiernd in einer Kneipe, während er
vor den Trümmern seiner Beziehung stand. Er wollte nicht hier sein, nicht in
dem tristen Zimmer, dessen Wände sich auf ihn zuzubewegen schienen und ihm
zunehmend die Luft zum Atmen nahmen.
    „Ich fliege morgen für eine Woche
nach London“, hörte er Florian sagen.
    „Und ich soll weg sein, bevor du
wiederkommst“, entgegnete Jan tonlos. Im Augenwinkel sah er, dass Florian
nickte. „Würdest du mich bitte alleinlassen?“
    „Es tut mir wirklich leid, dass
ich dir den Tag versaut habe. Ich bin stolz auf dich, das weißt du.“
    Jan hob abwehrend eine Hand. Sein
Abschluss schien unendlich weit weg zu sein. Florians Stolz, den er ihm
durchaus glaubte, bedeutete ihm nichts mehr. Momentan schien gar nichts mehr
von Bedeutung zu sein. Vor ihm breitete sich ein tiefes, schwarzes Loch aus,
und Jan war versucht, hineinzuspringen. Abtauchen, nichts mehr fühlen, nicht
denken. Das erschien ihm durchaus lohnenswert.
    Als Jans Telefon klingelte,
schloss Florian hinter sich die Tür.
    Es hatte etwas Endgültiges.

Wahre
Freundschaft
     
    „Hallöchen, mein Lieblingsdoc!
Darf man gratulieren?“, flötete Katja gutgelaunt in den Hörer.
    „Wohl eher nicht“, entgegnete Jan
trocken.
    „Sag nicht, du bist
durchgefallen? Das glaube ich dir nicht.“
    „Ich hab mein Examen bestanden,
jedoch mit der Trennung von Florian bezahlt.“
    Es entstand ein langes Schweigen.
Jan sah Katjas entsetztes Gesicht regelrecht vor sich. Aber Katja wäre nicht
Katja, wenn sie sich nicht schnell wieder gefangen hätte.
    „Du packst ein paar Sachen
zusammen und kommst zu mir. Wir köpfen die Flasche Champus, die hier auf dich
wartet, und du heulst dich aus. Morgen sieht die Welt schon wieder anderes
aus.“
    Das bezweifelte Jan, doch die
Idee, zu Katja zu fahren, kam ihm sehr gelegen. Jetzt, da sich Florian von ihm
getrennt hatte, nahm er dessen Präsenz im Nachbarzimmer überdeutlich wahr und
auch die Sehnsucht war zurückgekehrt. Wenn er noch länger hier blieb, würde er
rüber rennen, sich vor ihm auf die Knie werfen und ihn anbetteln, ihnen noch
eine Chance zu geben. Auf diese Erniedrigung hatte er keine Lust, zumal ihm
klar war, dass es nichts bringen würde. Florians Geradlinigkeit war Bestandteil
seiner Persönlichkeit und einer der Gründe, weshalb Jan ihn so faszinierend
fand. Dumm nur, dass er es war, der diesmal auf der Strecke blieb.
    „Ich bin in einer Stunde bei
dir“, bestätigte Jan und legte auf.
    Er packte eine Jogginghose und
frische Unterwäsche in eine Sporttasche. Als er ins Wohnzimmer trat, war es
mucksmäuschenstill. Selbst von der Soulmusik war nichts mehr zu hören. War
Florian gegangen?
    Auf dem Sofatisch lag sein
Examenszeugnis. Nichts war Jan momentan unwichtiger.
    Im Badezimmer beeilte er sich,
Zahnbürste und Zahncreme in die Tasche zu werfen. Auf keinen Fall Luft holen!
Der ganze Raum war von Florians Duft erfüllt. Der Geruch seines Rasierwassers
hing wie zum Hohn verführerisch in den Gardinen und Handtüchern. Hatte Jan ihn
je so intensiv gerochen wie jetzt? Warum wurde einem immer erst bewusst, wie
wichtig einem etwas oder jemand war, sobald man es verlor? Dumme Gedanken, die
ihn keinen Schritt weiter brachten. Und wieder brannten Tränen in seinen Augen.
    Zurück in seinem Zimmer legte er
die Kleiderbügel mit seinem Anzug und dem Hemd für das morgige
Vorstellungsgespräch über den Arm. Ohne noch einmal nachzusehen, ob Florian
wirklich gegangen war, nahm er seine Jacke und die Tasche und verschwand aus
der
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