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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition)
Autoren: Jacques Berndorf
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hieß, er solle seine Sache gut machen – wie gehabt. Dann aber konnte er sich nicht verkneifen, wie beiläufig hinzuzufügen: »Und die Treffberichte bitte binnen vierundzwanzig Stunden nach Ihrer Rückkehr, so präzise wie möglich.«
    Müller wusste genau, dass Sowinski mit einigen Verbindungsführern ständig wegen nicht geschriebener Treffberichte im Clinch lag, und er wusste auch, dass im letzten Jahr zwei oder drei Treffs mit wichtigen Leuten irgendwo auf der Welt schief gegangen waren, weil Berichte anderer Agenten über vorhergehende Treffen entweder gefehlt hatten oder unvollständig waren.
    »Das geht alles klar. Passen Sie auf das Haus auf.«
     
    Kurz darauf fuhr er mit dem Lift in die Tiefgarage, stieg in seinen alten Golf und steuerte die Rampe hoch. Das Licht draußen war grell und traf ihn wie ein Schlag. Die Sonne stand fast senkrecht, und es mussten um die dreißig Grad sein. Müller fuhr konzentriert.
    Er dachte, dass ihm die Reise eigentlich gut in den Kram passte. So kam er wenigstens mal wieder für ein paar Tage von zu Hause fort. Er hatte nämlich keine Ahnung mehr, worüber er mit Melanie noch sprechen sollte, außer über die ganz alltäglichen Banalitäten. Er bekam einen harten Rücken, wenn er in sein eigenes Haus kam. Ich bin in dieser Ehe stumm geworden, dachte er, ich bin, verdammt noch mal, ein Taubstummer in meinem eigenen Haus. Wieso mache ich nicht den Mund auf? Wahrscheinlich tue ich das nicht, weil sie mich gar nicht verstehen würde. Sie wäre nur maßlos erschreckt, und sie würde garantiert sagen: Das kriegen wir wieder hin. Sie sagt immer, dass man alles hinkriegen kann.
    Lieber Himmel, schoss es Müller durch den Kopf, ich bin ja schon glücklich, wenn ich in mein Haus stolpern und nach der Fernbedienung greifen kann, um mich berieseln zu lassen.
    Er kaufte unterwegs einen bunten Blumenstrauß aus den Eimern eines Selbstbedienungsladens.
    Kurz darauf erreichte er die Siedlung, die endlosen Reihenhäuser – eines wie das andere, mit einem Haufen junger Paare drin, die ein Kind nach dem anderen bekamen, als nähmen sie an einem Wettbewerb teil.
    Ich hasse das alles, dachte Müller.
    Draußen vor seinem Haus, der Nummer zweihundertvierzehn, saß auf dem winzigen Rasenfleck Anna-Maria und sprach ganz konzentriert mit ihrem zerrupften Hasen, der Oskar hieß.
    »Hallo, meine Prinzessin!«, sagte Müller laut.
    Sie hob den hübschen Kopf, der von leicht rötlich blondem, langem Haar umrahmt war.
    Dann schrie sie: »Papa!«, legte den Hasen achtlos beiseite und kam durch das kleine Tor im Einheitsjägerzaun herangelaufen.
    »Wir gehen in den Zirkus.«
    »Nicht heute«, sagte Müller und nahm sie hoch. »Papa hat keine Zeit. Wir gehen in ein paar Tagen hin.«
    Sie brach augenblicklich in Tränen aus. »Aber du hast es versprochen.«
    »Das stimmt, und ich halte es auch. Aber nicht heute. Komm, du kannst mir helfen, meinen Koffer zu packen.« Er trug sie auf dem Arm ins Haus.
    Melanie sah durch die Küchentür und sagte: »Hallo! Brauchst du irgendwas Besonderes?«
    »Nein, nur ein paar Klamotten für zwei, drei Tage.«
    »Und, wohin geht es?«
    »Nach München«, antwortete er.
    Er gab sehr häufig München als Ziel an, wohl wissend, dass es sie ohnehin nicht interessierte.
    Er hatte ihr schon früh in ihrer Beziehung gesagt, dass er beim Bundesnachrichtendienst arbeitete und dass er über Einzelheiten nicht sprechen dürfe – was letztlich auch zu ihrem Schutz sei. Sie hatte einfach genickt, und dabei war es geblieben, und sie hatte gar nicht erst die Angewohnheit entwickelt, irgendetwas herausfinden zu wollen. Sie beschwerte sich nie.
    »Fliegst du gleich?«
    »Ja, ich muss sofort wieder raus nach Tegel.«
    Er setzte Anna-Maria ab und lief die Treppe hinauf. Er holte den Schalenkoffer vom Kleiderschrank und packte ein, was er für drei Tage brauchen würde. Vor allem die Boxershorts aus beigefarbenem Leinen, die weißen Tennissocken, die dunkelbraunen Sandalen und das bunte Hemd mit dem Ethno-Muster.
    Krause hatte einmal bei einer Konferenz unter allgemeinem Gelächter erklärt, niemand könne den perfekten tumb-deutschen Touristen so gut darstellen wie Karl Müller mit seinen schneeweißen Beinen in Shorts, mit Tennissocken und Sandalen.
    Im Badezimmer entschied er sich für zwei blaue Augen und setzte sich eine blaue Haftschale auf das linke Auge, das fast gelb war – Echsenauge hatte das mal jemand genannt. Dann packte er den Toilettenbeutel mit den notwendigen Utensilien
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