Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition)
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
Unvermittelt begann sie zu weinen. »Er fehlt mir so.«
    »Ja, Mama.«
    »Wann bist du wieder in Berlin?«
    »Das weiß ich nicht genau, Mama. Ich beeile mich, ich verspreche es.«
    »Und stell dir vor: Ich habe nicht einmal Ahnung, wie wir finanziell stehen und wo eigentlich sein Geld ist.«
    »Wie bitte?«, fragte er verblüfft.
    »Na ja, so ist das eben. Ich habe wirklich keine Ahnung.«
    »Hast du nicht … ich meine, hast du keine Bankvollmacht?«
    »Nein, er hat doch alles gemacht, also das Finanzielle. Und er war ja immer da. Ach, Junge …«
    »Ich ruf dich wieder an, Mama, der Flug wird aufgerufen.« Dann hockte er in einer dunkelblauen Plastikschale auf großformatigen, weinroten Fliesen und starrte durch eine riesige Glasscheibe auf das Vorfeld, auf dem sich zahllose kleine Autos hektisch tummelten. Wie bei jedem Einsatz konzentrierte er sich auf die vor ihm liegenden Stunden und auf die Menschen, denen er begegnen würde. Da war der Geldbote des BND aus der Botschaft, der ungeheuer farblos und ebenso jung war, und den er den bartlosen Unterprimaner nannte, obwohl vieles dafür sprach, dass er weit über dreißig war. Er machte seine Sache mittelmäßig bis gut, nervte Müller aber dadurch, dass er bei allem, was er tat, dümmlich lächelte. Außerdem sah es, wenn er ging, von hinten immer so aus, als halte er seine Eier schützend mit der rechten Hand bedeckt. Eines war aber ganz sicher: Der Unterprimaner war auf seine Weise ein großartiger Spion, da niemand ihm zutrauen würde, sich auch nur eine Telefonnummer zu merken, geschweige denn, einmal schnell zu reagieren.
    In dem Koffer aus der Botschaft würden die fünftausend US-Dollar sein, verpackt in eine braune Papiertüte. Müller würde sie entnehmen und den Plastikkoffer irgendwo zum Müll werfen. Die Geldübergabe würde er sofort erledigen und alles andere dem morgigen Tag überlassen.
    Dann das Treffen mit Achmed, dem Sonnyboy, auch Laptop-Achmed genannt. Müller freute sich jedes Mal, ihn zu treffen, weil Achmed so fantastisch lachend durch das Leben zu gehen schien. Nichts, offensichtlich gar nichts konnte ihn umwerfen. In seinem weitläufigen Laden nahe dem Basar herrschte er über Hammer, Zangen, Nägel, Schrauben. Achmed war der geborene Eisenwarenhändler, denn kein Schraubenzieher wanderte über die Theke ohne ein intensives, zwanzigminütiges Gespräch.
    Schon das Aahhh!, das Achmed intonierte, wenn Müller kam, schon dieses begeisterte Ausbreiten der Arme, schon dieses ungeheuerlich breite und strahlend weiße Gebiss unter den dunklen Augen! Achmed war Leben, mit ihm zu arbeiten bereitete Vergnügen.
    Er erinnerte sich oft an den Tag, an dem er die Klaransprache gehalten hatte.
    »Hör zu, Achmed, ich muss dir etwas sagen. Im Ernst, Junge.«
    »Schieß los.«
    »Ich bin kein Eisenwarenhändler.«
    »Oh, oh. Jetzt kommt todsicher ein Witz.« Und er lachte schallend.
    »Nein. Ich bin nicht der, für den du mich hältst. Ich bin ein Spion.«
    »Ja, ja. James Bond oder irgend so ein Scheiß! Und wo ist deine heiße Blondine?«
    »Hör mir zu, Achmed …«
    Dann die wenigen Sekunden fast tödlichen Ernstes, in denen sich zeigte, dass Achmed als Spion hervorragend geeignet war: dieses sanfte, nachdenkliche Schütteln des Kopfes, dieses Ich-kann-es-nicht-fassen, das er nie aussprach. Das traurige Begreifen des Verlustes der Unschuld, wiederum Sekunden nur, aber schrecklich endgültig. Die vertraulichen Gespräche, die freundschaftlichen Abende mit Wein in Achmeds Familie, alles war anscheinend nur Mittel zum Zweck gewesen. Und schon auf dem Weg zum Begreifen dieser schräge Blick, dieses achselzuckende: »Na, ja, wenn das so ist.«
    Und dann, zu guter Letzt, dieses leicht melancholisch Hingetupfte: »Also, wenn das so ist, kannst du mich auch bezahlen …«
     
    Müllers Flug wurde aufgerufen.
    Er bewegte sich träge und sah mit der einfachen, schwarzen Umhängetasche aus Leinen aus wie ein Mensch, den man zwei Sekunden später vergessen würde.
    Er war ein sehr unauffälliger Mann, etwa einen Meter achtzig groß, zur Fülle neigend. Sein Teint war blass, seine Nase spitz, sein Kopf rundlich, bedeckt von dünnem, aschblondem Haar mit weiten Geheimratsecken. Er hielt den Kopf immer ein wenig vorgestreckt, was ihm das Aussehen eines freundlichen, neugierigen Vogels gab. Er trug ein blaues Sporthemd mit schmalen gelben Karostreifen unter einem leichten beigefarbenen Pullover. Dazu beigefarbene Leinenhosen mit vielen Taschen und mittelbraune,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher