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Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag
Autoren: Anna Gavalda
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ein Wort gesagt. Alle waren ein wenig traurig, und jeder hat in seiner Ecke vermutlich dasselbe gedacht. Dass wir unseren großen Bruder verloren hatten und dass das Leben ohne ihn wohl um einiges härter wäre ...), dann hat sie zwischen ihrer Residenz und meinem Boulevard bestimmt zehnmal auf die Uhr geschaut, bei jeder Ampel aufgestöhnt, und als sie schließlich gehupt hat - sie war diejenige, die die Hupe betätigt hatte, da bin ich ganz sicher -, habe ich sie nicht gehört. Oje oje oje.
     
    Liebster Simon, tut mir leid, dass ich dir das antue.
    Das nächste Mal sehe ich mich nach einer anderen Möglichkeit um, versprochen.
     
     
    Das nächste Mal kriege ich es besser hin. Gehe früh schlafen. Trinke nichts. Spiele keine Karten.
    Das nächste Mal lebe ich in geordneten Verhältnissen, verstehst du? Klar doch. Ich finde schon einen. Einen anständigen Kerl. Einen Weißen. Ein Einzelkind. Einen mit Führerschein und Rapsöl-Toyota.
    Ich suche mir einen, der bei der Post arbeitet, weil sein Papa bei der Post arbeitet, und der seine neunundzwanzig Stunden ableistet, ohne krank zu werden. Einen Nichtraucher. Das habe ich in meinem Profil bei Meetic angegeben. Glaubst du mir nicht? Du wirst schon sehen. Was grinst du so, Idiot?
    Dann werde ich dir samstagmorgens nicht mehr damit auf den Wecker fallen, dass ich bei dir mitfahren will. Zu meinem Schatzi von der Post werde ich sagen: »He! Schatzi! Fährst du mich mit deinem wunderbaren GPS, das sogar Korsika und unsere Überseegebiete abdeckt, zur Hochzeit meiner Cousine?«, und die Sache wäre gebongt.
    Was lachst du so blöd? Denkst du, ich bin nicht schlau genug, um es wie die anderen zu machen? Mir einen netten Kerl zu angeln, mit gelber Sicherheitsweste und Disneyland-Aufkleber? Einen Geliebten, dem ich in meiner Mittagspause Unterhosen von Celio kaufe? Au ja. Schon beim Gedanken daran wird mir ganz anders ... Ein anständiger Kerl. Solide. Einfach gestrickt. Inklusive Batterien und dickem Sparbuch.
    Der sich keinen Kopf macht. Und an nichts anderes denkt, als im Baumarkt die Preise in den Regalen mit denen im Prospekt zu vergleichen, und der dann sagt: »Eins steht fest, Liebling, der einzige Unterschied zwischen Castorama und Leroy Merlin ist der Service ...«
    Wir würden immer durch den Keller gehen, um den Eingang nicht dreckig zu machen. Und wir würden unsere Schuhe unten an der Treppe stehen lassen, um die Stufen nicht zu beschmutzen. Und wir würden uns mit den Nachbarn anfreunden, die sehr sympathisch wären. Und wir hätten einen gemauerten Grill, ein großes Glück für die Kinder, denn die Gegend wäre sehr sicher, wie meine Schwägerin zu sagen pflegt, und ...
    Das Glück schlechthin.
    Die Vorstellung war zu schrecklich. Darum schlief ich ein.
     
    * * *
     
    Auf dem Parkplatz einer Tankstelle bei Orléans bin ich langsam wieder aufgetaucht. Aus dem Tiefschlaf. Schlaff und sabbernd. Ich kriegte kaum die Augen auf, und meine Haare kamen mir erstaunlich schwer vor. Ich habe sie vorsichtshalber befühlt, um mich zu vergewissern, dass es wirklich Haare waren.
    Simon wartete an der Kasse. Carine war einmal um die Ecke verschwunden.
    Ich stellte mich vor einen Kaffeeautomaten.
    Ich brauchte mindestens dreißig Sekunden, um zu begreifen, dass ich den Becher an mich nehmen konnte. Der Kaffee war ohne Zucker und wenig überzeugend. Ich hatte wohl den falschen Knopf gedrückt. Er hatte einen leichten Tomatengeschmack, der Cappuccino, oder?
    Puh. Der Tag versprach lang zu werden.
     
    Ohne ein weiteres Wort stiegen wir wieder ins Auto. Carine zog ein Erfrischungstuch aus dem Schminkkoffer, um ihre Hände zu desinfizieren.
    Carine desinfiziert immer ihre Hände, sobald sie einen öffentlichen Ort verlässt.
    Aus Hygienegründen.
    Carine kann Mikroben regelrecht sehen.
    Sie sieht ihre kleinen behaarten Beinchen und ihre furchteinflößenden Münder.
    Das ist übrigens der Grund, warum sie nie mit der Metro fährt. Auch Züge mag sie nicht. Sie muss ständig an die Leute denken, die ihre Füße auf die Sitze gestellt und ihre Nasenpopel unter die Armlehnen geklebt haben.
    Sie verbietet ihren Kindern, sich auf eine Bank zu setzen oder das Treppengeländer zu berühren. Sie tut sich schwer damit, mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen. Sie tut sich schwer damit, sie auf eine Rutsche zu setzen. Sie tut sich schwer mit den Tabletts bei McDonald's, und sie tut sich besonders schwer mit dem Tauschen von Pokémon-Karten. Sie leidet bei Fleischern, die keine Handschuhe
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