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Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag
Autoren: Anna Gavalda
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unter die Terrasse des Restaurants fallen ließen, in dem die Teflonpfanne arbeitete, dieses Riesenkamel. Und die Fahrt, bei der wir auf Kartons hinten im Kleinlastwagen lagen, während Vincent uns den gesamten Text von Eingespannt. Erzählung aus dem Innern des Motors vorlas. Simons Gesicht, als er zum ersten Mal in seinem Leben Björk hörte, und Monteverdi auf dem Parkplatz der Disco Macumba.
     
    All unsere Streiche, all unsere Gewissensbisse und all unsere Seifenblasen bei der Beerdigung von Lolas Patenonkel ...
    Unsere vergangenen Liebschaften, unsere zerrissenen Briefe und die Freunde am Telefon. Diese

    denkwürdigen Nächte, diese Manie, immerzu alles umzuräumen, und der Mensch, den wir morgen umrennen werden, wenn wir einem Bus hinterherlaufen, der nicht auf uns gewartet hat.
     
    Das alles und noch mehr.
    Genug, um sich nicht die Seele zu ruinieren.
    Genug, um mit Trotteln gar nicht erst zu diskutieren.
    Sollen sie verrecken.
    Sie verrecken sowieso.
    Sie verrecken von ganz allein, während wir im Kino sind.
     
    Das sagen wir uns zum Trost dafür, dass wir damals nicht gegangen sind.
     
    Wir rufen uns außerdem in Erinnerung, dass das alles, die scheinbare Gleichgültigkeit, die Zurückhaltung und unsere Schwäche, die Schuld unserer Eltern ist.
    Ihre Schuld oder ihr Verdienst.
    Weil sie es sind, die uns Bücher und Musik nähergebracht haben. Die uns von anderen Dingen erzählt und uns gezwungen haben, eine andere Perspektive einzunehmen. Höher, weiter. Aber sie sind es auch, die vergessen haben, uns Selbstvertrauen zu geben. Sie dachten, es würde sich von selbst einstellen. Wir würden schon fürs Leben taugen und Komplimente könnten unserem Ego schaden. Weit gefehlt.
    Es hat sich nicht eingestellt.
    Und jetzt sind wir hier. Die totalen Loser. Schweigen angesichts der Aufgebrachten, verpassen mit einem leichten Brechreiz unseren Auftritt.
    Zu viel Torte vielleicht ...
     
    Einmal, daran kann ich mich noch erinnern, wir waren mit der ganzen Familie an einem Strand bei Hossegor - und es war selten, dass wir als Familie irgendwo waren, denn die Familie mit großem F war nicht unser Ding -, da hat unser Pop (Unser Papa wollte nie, dass wir ihn Papa nennen, und wenn die Leute sich darüber wunderten, sagten wir, das sei so wegen Mai 68. Das gefiel uns als Erklärung, »Mai 68«, das klang wie ein Geheimcode, als würden wir sagen: »Das ist so, weil er vom Planeten Zorg kommt.«), da hat unser Pop also von seinem Buch aufgeblickt und gesagt:
    »Kinder, seht ihr diesen Strand?«
    (Die Côte d'Argent am Atlantik, Sie können sich vorstellen, was für ein Strand das ist, oder?)

    »Tja, wisst ihr, was ihr in unserem Universum seid?«
    (Ja! Arme Kinder, denen leckere Strandkrapfen vorenthalten werden!)
    »Ihr seid dieses Sandkorn. Ein einfaches Sandkorn. Sonst nichts.«
     
    Wir haben ihm geglaubt. Unser Pech.
     
    »Wonach riecht das?«, fragte Carine beunruhigt.
    Ich verteilte gerade Frau Raschids klebrige Masse auf den Beinen.
    »Was - was ist das denn für ein Zeug?!«
    »Keine Ahnung. Ich glaube, es ist Honig oder Karamel gemischt mit Wachs und Kräutern.«
    »Wie furchtbar! Das Zeug ist wirklich widerlich. Und das Ganze machst du hier?«
    »Zwangsläufig. So kann ich ja wohl kaum gehen. Man würde mich für einen Yeti halten.«
    Meine Schwägerin drehte sich seufzend wiederum.
    »Pass wenigstens auf die Sitze auf. Simon, stell die Klimaanlage aus, damit ich das Fenster aufmachen kann.«
     
    ... bitte, presse ich zwischen den Zähnen hervor.
     
    Frau Raschid hatte das große Lokum in ein feuchtes Tuch eingeschlagen. »Komm nächstes Mal zu mirr. Komm zu mirr, dann ich kümmere mich um dich. Ich kümmere mich um dein klein Liebesgarrten. Du wirrst sehen, wie er dann sein wirrd, dein Mann, wenn ich alles entfernt habe, er wirrd ganz verrückt nach dir sein und du wirrst alles von ihm kriegen können ...«, hatte sie mir augenzwinkernd versichert.
    Ich lächelte. Nicht zu sehr. Ich hatte gerade einen Fleck auf die Armlehne gemacht und jonglierte mit meinen Kleenex-Tüchern. So ein Mist.
     
    »Ziehst du dich auch im Auto um?«
    »Wir halten doch sicher vorher noch mal an. Oder, Simon? Du findest bestimmt eine kleine Seitenstraße für mich?«
    »Die nach Lavendel und Liebesschwüren duftet?«
    »Das hoffe ich!«
     
    »Und Lola?«, fragt Carine weiter. »Was ist mit Lola?« »Kommt sie auch?« »Keine Ahnung.«
    »Du hast keine Ahnung?«, sie fuhr herum.

    »Nein. Ich habe keine Ahnung.«
    »Unglaublich
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