Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
(Dabbelju) Thurlinghton und wohnt in einem großen Haus auf Martha's Vineyard.
    Lola und ich finden das superchic. Martha's Vineyard. »Die Wiege der Kennedys«, wie es in Paris Match heißt.
    Wir träumen davon, in den Flieger zu steigen, uns Cecils Privatstrand zu nähern und ihm zuzurufen: » Yoohoo! We are Simon's sisters!Darling, Cecil! We are so very enchanted!«
     
    Wir stellen ihn uns im marineblauen Blazer mit einem altrosa Baumwollpulli über den Schultern und einer cremefarbenen Leinenhose vor. Einem Werbespot für Ralph Lauren entsprungen.
    Wenn wir Simon von unseren Ideen erzählen, gerät sein Gleichmut ernsthaft in Gefahr.
     
    »Man könnte meinen, du machst das extra! Jetzt ist schon wieder was danebengegangen!«
    »Wie viele Schichten trägst du denn auch auf?«, fragt er schließlich besorgt.
    »Drei.«
    »Drei Schichten?«
    »Den Unterlack, die Farbe und den Überlack.« »Ach ...«
    »Vorsicht, Mensch! Sag mir doch Bescheid, wenn du bremst!«
    Er zieht die Augenbrauen hoch. Nein. Sorry. Eine nur.
     
    Was er wohl denkt, wenn er seine rechte Braue auf diese Weise hochzieht?

     
    An einer Autobahnraststätte nahmen wir ein gummiartiges Sandwich zu uns. Ungenießbar, das Teil. Ich hatte mich für ein kleines Tagesgericht in einer Fernfahrerkneipe ausgesprochen, aber »dort waschen sie den Salat nicht gründlich«. Was stimmt. Das hatte ich vergessen. Also drei vakuumverpackte Sandwichs. (Wesentlich hygienischer.)
    »Die schmecken zwar nicht, aber wenigstens weiß man, was man isst!«
    So kann man es auch sehen.
     
    Wir saßen draußen neben ein paar Müllcontainern. Alle zwei Sekunden hörten wir ein »Wrrrrrrum-mmmm« oder ein »Brrrrrrrummmmmm«, aber ich wollte eine Zigarette rauchen, und Carine verträgt keinen Tabakgeruch.
    »Ich muss mal wohin«, verkündete sie mit gequältem Gesichtsausdruck. »Das ist hier bestimmt nicht der große Luxus ...«
    »Warum verschwindest du nicht im Gebüsch?«, fragte ich.
    »Vor allen Leuten? Bist du verrückt?«
    »Du kannst ja ein Stückchen weggehen. Ich komme mit, wenn du willst.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«

    »Dann werden meine Schuhe schmutzig.«
    »Ach was. Was können drei Tröpfchen schon anrichten?«
    Sie war aufgestanden, ohne mich einer Antwort zu würdigen.
    »Weißt du, Carine«, verkündete ich feierlich, »wenn du dich irgendwann entschließen solltest, im Freien zu pinkeln, wirst du ein glücklicherer Mensch sein.«
    Sie griff nach ihren Erfrischungstüchern.
    »Mir geht es bestens, danke für die Anteilnahme.«
     
    Ich wandte mich meinem Bruder zu. Er fixierte die Maisfelder, als wollte er die Maiskolben einzeln zählen. Er schien nicht besonders in Form. »Alles in Ordnung?«
    »Alles in Ordnung«, antwortete er, ohne sich umzudrehen.
    »Sieht nicht so aus.« Er rieb sich das Gesicht. »Ich bin müde.«
    »Wovon?« »Von allem.«
    »Duuu? Das glaub ich dir nicht.« »Es ist aber so.«
    »Ist es die Arbeit?«

    »Die Arbeit. Das Leben. Alles.«
    »Warum sagst du das?«
    »Warum sollte ich es nicht sagen?«
     
    Erneut kehrte er mir den Rücken zu.
    »He! Simon! Was tust du uns an? So darfst du nicht reden. Du bist der Held der Familie, wenn ich dich daran erinnern darf!«
    »Eben. Der Held ist gerade müde.«
     
    Ich war baff. Es war das erste Mal, dass ich ihn so antriebslos sah.
    Wenn Simon schon anfing zu zweifeln, was war dann erst mit uns?
     
    Genau in dem Moment, und das ist wirklich ein Wunder, behaupte ich, worüber ich nicht erstaunt bin, muss ich dazusagen, und ich umarme den Schutzheiligen der Geschwister, der seit fast fünfunddreißig Jahren über uns wacht und sich nicht über Arbeitsmangel beklagen kann, der arme Kerl, klingelte sein Handy.
    Es war Lola, die sich jetzt doch entschieden hatte und ihn fragte, ob er sie am Bahnhof von Châteauroux abholen würde.
     
    Sofort stieg die Stimmung. Er steckte sein Handy in die Hosentasche und bat mich um eine Zigarette. Carine kam zurück und polierte ihre Arme bis zum Ellbogen mit einem Erfrischungstuch. Sie erinnerte ihn an die exakte Zahl der Krebsopfer infolge ... Und er wedelte mit der Hand, als wollte er eine Fliege vertreiben, woraufhin sie sich hüstelnd entfernte.
     
    Lola würde kommen. Lola wäre bei uns. Lola ließ uns nicht im Stich, da konnte der Rest der Welt untergehen.
    Simon hatte die Sonnenbrille aufgesetzt. Er lächelte.
    Seine Lola saß im Zug ...
     
    Die beiden haben einen ganz besonderen Draht zueinander. Zum einen sind sie am dichtesten beieinander,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher