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Ein geschenkter Tag

Ein geschenkter Tag

Titel: Ein geschenkter Tag
Autoren: Anna Gavalda
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achtzehn Monate Altersunterschied, zum anderen waren sie zusammen Kinder.
    Wenn jemand Mist baute, waren es die beiden. Lola hatte eine unbändige Phantasie, und Simon fügte sich (schon damals), sie sind ausgerissen, haben sich verlaufen, sich geschlagen, sich gegenseitig gequält und sich wieder versöhnt. Mama erzählt, dass sie ihn permanent schikaniert hat, dass sie ständig in sein Zimmer gestürmt ist und ihm sein Buch aus den Händen gerissen oder seinen Playmos einen Tritt versetzt hat. Meine Schwester mag es nicht, wenn man sie an diese kriegerischen Heldentaten erinnert (sie hat den Eindruck, mit Carine in einen Topf geworfen zu werden!), darum fühlt sich unsere Mutter immer genötigt, die Dinge wieder ins rechte Licht zu rücken und hinzuzufügen, dass Lola sich sehr bemüht hat, etwas auf die Beine zu stellen, die Kinder aus der ganzen Gegend einzuladen und sich jede Menge neuer Spiele auszudenken. Dass sie eine coole Anführerin war, die tausend Ideen pro Minute ausheckte und wie eine eifersüchtige Henne über ihren großen Bruder wachte. Sie machte ihm Dinosaurierkuchen mit Kakao und holte ihn von seinen Legos weg, wenn Godorak oder Albator im Fernsehen liefen.
     
    Lola und Simon haben die Glanzzeiten miterlebt. In Villiers. Als wir alle in einem gottverlassenen Kuhdorf gewohnt haben und unsere Eltern zusammen glücklich waren. Für sie begann die Welt vor der Haustür und hörte am Ende des Dorfes auf.
    Gemeinsam haben sie vor Stieren, die keine waren, Reißaus genommen und haben sich in Häusern rumgetrieben, in denen es wirklich spukte.
    Sie haben an der Türglocke der alten Margeval gezogen, bis diese reif fürs Altersheim war, haben Fallen zerstört, in öffentliche Waschplätze gepinkelt, die schweinischen Illustrierten des Dorfschullehrers gefunden, Knallfrösche geklaut, Riesenböller gezündet und Katzenjunge aus dem Teich gezogen, die irgendein Dreckskerl lebend in eine Plastiktüte gesteckt hatte.
    Bum. Sieben Kätzchen auf einen Streich. Unser Pop war überglücklich!
    Und an dem Tag, als die Tour de France durch unser Dorf kam, sind sie losgezogen, haben fünfzig Baguettes besorgt und jede Menge Sandwichs verkauft. Von dem Erlös haben sie sich Scherzartikel geholt, sechzig Kaugummipäckchen von Malabar, ein Springseil für mich, eine kleine Trompete für Vincent (damals schon!) und den neuesten Yoko Tsuno.
    Ja, es war eine andere Kindheit ... Sie wussten, was eine Dolle ist, rauchten Schlingkraut und kannten den Geschmack von Stachelbeeren. Übrigens ist der Vorfall, der sie am meisten geprägt hat, heimlich hinter der Tür zum Schuppen dokumentiert:
    »Heute, am 8. Ar Abril haben wir den Farer in kurzen Hosen geseen.«

     
    Und dann haben sie zusammen die Scheidung unserer Eltern erlebt. Vincent und ich waren noch zu klein. Wir haben den Betrug erst am Tag des Auszugs begriffen. Sie hingegen hatten Gelegenheit, das Schauspiel in seiner vollen Länge zu genießen. Sie standen nachts auf und setzten sich nebeneinander auf die oberste Treppenstufe, um zu hören, wie sie »sich aussprachen«. Einmal hat Pop abends den riesigen Küchenschrank umgeworfen, und Mama ist mit dem Auto davongefahren.
    Sie saßen zehn Stufen weiter oben und lutschten am Daumen.
     
    Es ist bescheuert, das alles so zu erzählen, ihr Zusammenhalt hängt noch mit ganz anderen Dingen zusammen als mit diesen etwas bedrückenden Momenten. Egal ...
    Bei Vincent und mir war das ganz anders. Wir haben unsere Kindheit in der Stadt verbracht. Wir waren unfähig, einen Fahrradschlauch zu flicken, aber wir wussten, wie man Kontrolleure an der Nase herumführt, wie man einen Kinosaal durch den Notausgang betritt oder ein Skateboard repariert.
    Dann ist Lola in einem Internat verschwunden, und es war keiner mehr da, der Streiche mit uns angezettelt und uns durch den Garten gescheucht hätte ...
     

    Wir schrieben uns jede Woche. Sie war meine geliebte große Schwester. Ich habe sie idealisiert, habe ihr Zeichnungen geschickt und Gedichte für sie geschrieben. Wenn sie nach Hause kam, fragte sie mich, ob Vincent sich während ihrer Abwesenheit ordentlich benommen habe. Natürlich nicht, antwortete ich dann, natürlich nicht. Und ich erzählte ihr im Detail, welchen Gemeinheiten ich in der vergangenen Woche ausgesetzt gewesen war. Daraufhin zerrte sie ihn zu meiner großen Freude ins Badezimmer, um ihn zu züchtigen.
    Je lauter mein Bruder brüllte, um so mehr strahlte ich.
    Aber einmal wollte ich, um mein Vergnügen zu
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