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Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten
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sondern stille sei.‹ So steht es in der Heiligen Schrift. So steht es geschrieben, und so soll es sein.«
    Unwillig stöhnte Fidelma leise. »Ich würde dir raten, dich an den ursprünglichen Text zu halten und die von dir zitierte Übersetzung zu überprüfen, Bruder Drón. Die Worte ›uk epitrépo‹, die soviel wie ›ich gestatte nicht‹ heißen, stehen in diesem Fall für ein spezifisches ›Gestatten‹ in einem ganz spezifischen Kontext. Übersetzt man sie bei Timotheus und Titus richtig, so bedeutet es, daß Timotheus Frauen nicht gestattet zu lehren, bis sie in aller Stille gelernt und sich gebildet haben.«
    Bruder Drón hatte deutlich Schwierigkeiten, hinter den Sinn ihrer Erläuterung zu steigen. »Willst du auch leugnen, daß unser geliebter Apostel Paulus an die Korinther geschrieben hat, daß Frauen nicht gestattet ist zu reden, sondern daß sie ihren Männern untertan sein sollen, wie es auch das Gesetz sagt? ›Wollen sie aber etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen, denn es stehet den Weibern übel an, in der Kirche zu reden.‹«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß die griechischen Gelehrten in Rom nurüber so armselige Kenntnisse verfügen, daß sie die Bedeutungsfeinheiten der Texte nicht richtig erfassen«, entgegnete Fidelma kopfschüttelnd. »Oder haben die Übersetzer dieser Texte, auf deren Grundlage andere lehren, etwas gegen Frauen? Vielleicht sehen Männer in Fehlinterpretationen der Texte eine Möglichkeit, Frauen die ihnen zukommende Rolle im Leben zu verweigern? Was in früheren Zeiten gang und gäbe war, ist heute nicht mehr möglich: Frauen dürfen nicht zum Priester geweiht werden oder geistliche Ämter übernehmen. Wie kann eine Religion für ein liebevolles Miteinander der Gläubigen stehen und gleichzeitig die Unterjochung eines Geschlechts durch das andere lehren? Liegt das an der Religion als solcher? Oder liegt das nicht vielmehr an den Vorurteilen der Männer, die im Dienste der Religion zu hohenÄmtern aufgestiegen sind und sich nun an ihre kümmerlichen Machtbefugnisse klammern?«
    Es herrschte Schweigen im Saal. Selbst Eadulf war über ihren Ausbruch überrascht. Noch nie hatte sie in solcher Schärfe ihre Meinung zur Rolle der Frau in der Geistlichkeit kundgetan.
    »Nur dem Mann durch seine natürliche Ähnlichkeit mit Christus ist es gegeben, das Sakrament Jesu Christi im Abendmahlsgottesdienst auszuteilen«, ereiferte sich Bruder Drón.
    »Ein schwaches Argument und eine Beleidigung der Frauen, die den Glauben verbreitet haben und nun den Männern dienen und ihnen die Füße waschen dürfen«, stellte Fidelma trocken fest. »Gott sei Dank ist uns hier in unseren fünf Königreichen noch ein gut Maß an alten Freiheiten geblieben.«
    »Auch wenn wir gern mehr zu dem Thema hören würden«, mischte sich jetzt Brehon Barrán ein, »so ist es nicht der rechte Ort für einen Disput über Theologie, Fidelma, es sei denn, es wäre relevant für die Morde. Befindest du Bruder Drón für schuldig?«
    »Nein. Ich befinde Drón für keinen der beiden Morde schuldig, weder für den an Ultán noch für den an Muirchertach Nár. Aber ein Verständnis von Theologie, jedenfalls der Art, wie sie von Drón praktiziert wird, war nötig, bevor sich mir eins der Rätsel erschloß, das mich lange Zeit nicht die Wahrheit erkennen ließ. Nämlich das Rätsel, warum, wenn er überzeugt war, daß Schwester Marga Abt Ultán umgebracht hatte, er es vertuschen und sie unbedingt nach Cill Ria zurückschaffen wollte.«
    »Er glaubte, Schwester Marga hätte Ultán umgebracht?« wiederholte Brehon Barrán ihre Worte.
    »Drón hatte Schwester Marga aus Ultáns Gemach kommen sehen, ging selbst kurze Zeit danach zu ihm und fand ihntot vor. Das war, bevor Muirchertach Nár beim Verlassen des Zimmers beobachtet worden war, und folglich der Beweis, daß nicht der König von Connacht Ultán ermordet hatte. Drón aber behielt diese Erkenntnis für sich und verschwieg einen Sachverhalt, der für Muirchertachs Unschuld sprach.«
    »Somit sind wir bei Schwester Marga. Ist sie die Mörderin?« fragte Brehon Barrán.
    Fergus Fanat, der neben Blathmac saß, stöhnte laut auf und faßte sich mit beiden Händen an den immer noch bandagierten Kopf. Fidelma sah bewußt nicht zu Schwester Marga, die bleich, aber gefaßt auf ihrem Platz hockte.
    »Auch Fergus Fanat hatte Schwester Marga aus Ultáns Zimmer kommen sehen und war zu der gleichen Schlußfolgerung wie Drón gelangt. Schwester Marga hatte
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