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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter
Autoren: Kristin Hannah
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Scherz, aber sie lächelten beide –, »und denk dran, dass morgen Josh von der Apple Commission um neun zum Meeting kommt. Wir brauchen Donuts und Kaffee.«
    »Schon klar. Gute Nacht.«
    Meredith räumte ihren Tisch für den nächsten Tag auf und ging dann zum Wagen.
    Der Schnee fiel jetzt heftiger und erschwerte ihr die Sicht durch die Windschutzscheibe. Obwohl die Scheibenwischer auf die höchste Stufe gestellt waren, konnte sie kaum etwas sehen. Jedes Mal, wenn ihr ein Wagen entgegenkam, wurde sie kurzzeitig von den Scheinwerfern geblendet. Obwohl sie die Straße kannte wie ihre eigene Westentasche, fuhr sie langsamer und hielt sich dicht an der Böschung. Das erinnerte sie an ihren einzigen Versuch, Maddy im Schnee das Fahren beizubringen. Bei der Vorstellung musste sie lächeln. Ist doch nur Schnee, Mom. Kein Eis. Ich muss nicht so langsam fahren. Da wäre ich ja zu Fuß schneller zu Hause.
    So war Maddy. Immer in Eile.
    Zu Hause angekommen, ließ Meredith die Eingangstür hinter sich zufallen und eilte in die Küche. Ein rascher Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie zu spät kam. Wieder einmal.
    Sie legte ihre Brieftasche auf die Küchentheke. »Jeff?«
    »Ich bin hier.«
    Sie folgte seiner Stimme ins Wohnzimmer. Jeff stand an der Bar, die sie sich Ende der Achtziger hatten einbauen lassen, und machte sich einen Drink. »Tut mir leid, dass ich zu spät komme. Der Schnee –«
    »Ja, ja«, erwiderte er. Sie beide wussten, dass sie zu spät losgefahren war. »Möchtest du einen Drink?«
    »Ach ja. Weißwein.« Sie sah ihn an, ohne zu wissen, was sie eigentlich empfand. Er sah so gut aus wie eh und je: mit seinem dunkelblonden Haar, das gerade erst an den Schläfen die ersten grauen Strähnen zeigte, mit seinem ausgeprägt kantigen Kiefer und den stahlgrauen Augen, die immer zu lächeln schienen. Er trieb keinen Sport und fraß wie ein Scheunendrescher, doch sein Körper war immer noch zäh und drahtig, als wäre er vor dem Alter gefeit. Wie üblich trug er ausgeblichene Levi’s und ein altes Pearl-Jam-T-Shirt.
    Er gab ihr ein Glas Wein. »Wie war dein Tag?«
    »Dad will Wein anbauen. Und Mom war wieder im Wintergarten. Sie wird sich noch eine Lungenentzündung holen.«
    »Deine Mom ist kälter als Eis.«
    Einen Moment spürte Meredith die Jahre, die sie verbanden, all die Verbindungen, die die Zeit erschaffen hatte. Jeff hatte sich über zwanzig Jahre zuvor eine Meinung über ihre Mutter gebildet und sich bis heute nicht veranlasst gesehen, sie zu ändern. »Amen«, sagte Meredith und lehnte sich an die Wand. Plötzlich wurde ihr der Druck, die Hektik, der Irrsinn ihres Tages – ihrer Woche, ihres Monats – bewusst und sie schloss die Augen.
    »Ich habe heute ein Kapitel geschrieben. Es ist zwar kurz und besteht nur aus etwa sieben Seiten, aber ich glaube, es ist gut. Ich hab dir einen Ausdruck gemacht. Meredith? Mere?«
    Sie öffnete die Augen und sah, dass er sie anblickte. Als sie die winzige Falte zwischen seinen Augen sah, fragte sie sich, ob er etwas Wichtiges gesagt hatte. Sie versuchte, sich zu erinnern, aber vergeblich. »Tut mir leid. War ein langer Tag.«
    »Kommt in letzter Zeit oft vor.«
    Sie konnte nicht entscheiden, ob dies eine Anklage oder eine reine Feststellung war. »Du weißt doch, wie es im Winter ist.«
    »Und im Frühjahr. Und im Sommer.«
    Da hatte sie die Antwort: Es war eine Anklage. Noch vor einem Jahr hätte sie ihn gefragt, was mit ihnen los sei. Sie hätte ihm erzählt, wie verloren sie sich im grauen Einerlei ihres Alltags vorkam und wie sehr sie die Mädchen vermisste. Aber seit einiger Zeit waren ihr solche Vertraulichkeiten unmöglich geworden. Sie war nicht sicher, wie oder wann es gekommen war, aber zwischen ihnen schien sich Distanz auszubreiten wie verschüttete Tinte und alles einzufärben. »Ja, da hast du wohl recht.«
    »Ich gehe ins Arbeitszimmer«, sagte er unvermittelt und griff nach der Jacke, die er über einen Stuhl gehängt hatte.
    »Jetzt?«
    »Wieso fragst du?«
    Sie fragte sich, ob er das wirklich wissen wollte. Wollte er, dass sie ihn aufhielt, ihm einen Grund zu bleiben gab, oder wollte er tatsächlich gehen? Sie wusste es nicht, und eigentlich war es ihr auch ziemlich egal. Es wäre nett, jetzt ein heißes Bad zu nehmen und ein Glas Wein zu trinken, anstatt beim Abendessen jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Noch netter wäre es, überhaupt kein Essen zu kochen. »Nur so.«
    »Ja«, meinte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Das dachte
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