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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter
Autoren: Kristin Hannah
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bereit.«
    Nina lehnte sich in ihrem zerschlissenen, unbequemen Sitz zurück und versuchte, die Augen offen zu halten, aber sie war zu müde. Nach zwei Wochen Wildererjagd im Dschungel und davor vier Wochen Angola, in denen sie festgehalten hatte, wie Menschen sich gegenseitig umbrachten, war sie zu Tode erschöpft.
    Und doch liebte sie dieses Leben. Es gab keinen Ort auf der ganzen Welt, wo sie jetzt lieber gewesen wäre, und nichts, was sie lieber getan hätte. Die Jagd nach dem richtigen »Schuss« war eine adrenalinbefeuerte Achterbahnfahrt, von der sie nie genug bekommen konnte, ganz gleich, welche Opfer sie dafür bringen musste. Als sie sich mit einundzwanzig – sechzehn Jahre zuvor – mit einem Abschluss in Journalistik und einem gebrauchten Fotoapparat im Rucksack auf den Weg gemacht hatte, war ihr bewusst gewesen, dass sie nach ihrer Bestimmung suchte.
    Eine Zeitlang hatte sie jeden Fotojob angenommen, aber 1985 kam ihr großer Durchbruch. Bei Live Aid, dem Konzert gegen den Hunger in der Dritten Welt, hatte sie Sylvie Porter, damals frischgebackene Redakteurin bei der Time , kennengelernt, und Sylvie hatte ihr eine ganz neue Welt eröffnet. Kurz darauf war sie schon auf dem Weg nach Äthiopien. Was sie dort sah, änderte alles.
    Von da an waren ihre Fotos nicht mehr nur Bilder, sondern erzählten Geschichten. 1989, als der Taifun Gay Thailand heimsuchte und über hunderttausend Menschen obdachlos machte, landete Ninas Foto auf der Titelseite der Time : eine einzelne Frau, die bis zur Brust in schlammigem Wasser watete und ihr weinendes Baby hoch über dem Kopf trug. Zwei Jahre zuvor dann hatte sie den Pulitzer-Preis für ihre Fotoreportage über die Hungersnot im Sudan bekommen.
    Allerdings forderte ihre Karriere auch ihren Tribut.
    Sie führte ein Nomadenleben, wie der Stamm der Himba in dieser Region. Weiche Betten, saubere Laken und fließendes Wasser waren ein Luxus, auf den sie zu verzichten gelernt hatte.
    »Sieh mal, da«, sagte Danny und zeigte auf eine Anhöhe.
    Zuerst sah sie nur staubigen, orangeroten Himmel. Es roch nach Rauch, und die Erde kam ihr verbrannt vor. Beim Näherkommen erwiesen sich die Silhouetten auf dem Kamm der Anhöhe als Menschen, die, dünn und hoch aufgerichtet, dort standen und auf den schmutzigen Landrover und seine noch schmutzigeren Insassen starrten.
    »Sind sie das?«, fragte er.
    »Wahrscheinlich.«
    Nickend fuhr er weiter darauf zu, hielt dann an der Biegung eines ausgetrockneten Flussbetts und stieg aus.
    Die Himba wichen etwas zurück, behielten sie aber im Blick.
    Langsam schritt Danny voran, weil er wusste, der Häuptling würde sich irgendwann zeigen. Nina folgte ihm.
    An der Ältestenhütte blieben sie stehen. Das heilige Feuer brannte davor und entließ eine Rauchfahne in den nun purpurfarbenen Himmel. Beide verneigten sich und achteten darauf, nicht davor vorbeizugehen. Das wäre als respektlos angesehen worden.
    Da näherte sich ihnen der Häuptling. In stockendem Swahili bat Nina ihn um die Erlaubnis, Fotos machen zu dürfen, während Danny dem Stamm fünfzehn Dreiliterkanister Wasser zeigte, die er als Geschenk mitgebracht hatte. Für einen Stamm, der für eine Handvoll Wasser meilenweit laufen musste, war dies ein überwältigendes Geschenk, und auf einmal wurden Nina und Danny wie alte Freunde willkommen geheißen. Von allen Seiten tauchten Kinder auf und hüpften kichernd um Nina herum. Die Himba schoben sie und Danny ins Dorf, wo sie zuerst eine traditionelle Speise aus Maisbrei und Sauermilch bekamen und dann vom ganzen Stamm unterhalten wurden. Später, als der Nachthimmel blau im Mondlicht leuchtete, führte man sie zu einer runden Lehmhütte, einen sogenannten Rondoval, wo sie zusammen auf einer Matte aus Blättern und geflochtenem Gras schliefen. Die Luft duftete süß nach geröstetem Getreide und ausgetrockneter Erde.
    Nina rollte sich auf die Seite, um Danny anzusehen. In dem schattigblauen Licht sah er jung aus, obwohl seine Augen, genau wie die ihren, viel älter wirkten. Das brachte ihr Beruf mit sich. Sie hatten zu viele Gräuel gesehen. Aber das schweißte sie auch zusammen. Das hatten sie gemeinsam: den Drang, alles zu sehen, ganz gleich, wie schrecklich es war. Alles zu erfahren.
    Kennengelernt hatten sie sich in einer verlassenen Baracke im Kongo, im ersten Krieg, wo sie beide vor dem schlimmsten Gemetzel Zuflucht gesucht hatten; sie, um einen neuen Film einzulegen, er, um eine Verletzung an seiner Schulter zu verbinden.
    Das sieht
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