Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
Verzeihung«, sagte Bruder Humilis leise, »daß ich diesen Bericht vom Krieg so peinlich genau vortrage, doch ich bin im Waffenhandwerk ausgebildet, und so etwas vergißt man nicht.«
    »Gott verhüte«, erwiderte Radulfus, »daß ein Mann je etwas vergißt, was er in gutem Glauben und in treuem Dienst tat. Ob unter Waffen oder im Kloster, wir alle haben für dieses Land und diese Menschen unsere Rolle zu spielen. Es nützt nichts, die Augen zu verschließen. Fahrt fort! Wer führte den ersten Schlag?«
    Wenige Wochen zuvor waren die beiden noch Verbündete gewesen!
    »Die Kaiserin. Sie rückte vor und umringte Wolvesey, sobald sie erfuhr, daß er sich verschanzt hatte. Sie setzte alles gegen die Burg ein, was sie hatte, alle Kampfmaschinen, die sie bekommen konnte. Und sie riß Gebäude nieder, Geschäfte, Häuser, alles, was zu nahe an der Burg lag, um das Gelände freizuräumen. Doch der Bischof hatte eine starke Garnison, und die Mauern sind neu. Wie ich hörte, hat er sie erst vor etwa zehn Jahren errichten lassen. Seine Männer setzten als erste brennende Pfeile ein. Ein großer Teil der Stadt innerhalb der Mauern ist verbrannt: Kirchen, ein Nonnenkloster, Werkstätten - es wäre nicht so schrecklich gewesen, wenn nicht gerade Sommer gewesen wäre, und ein sehr trockener dazu.«
    »Und Hyde Mead?«
    »Wir wissen nicht, von wem der Pfeil kam, der unser Haus in Brand setzte. Es wurde überall vor den Stadtmauern gekämpft, und wie immer wurde auch geplündert«, erklärte Bruder Humilis. »Wir versuchten das Feuer zu löschen, doch hatten wir keine Hilfe, und es brannte so grimmig, daß wir es nicht eindämmen konnten. Unser Prior gab Befehl, uns aufs Land zurückzuziehen, und das taten wir. Etwas dezimiert allerdings«, fuhr er fort. »Es gab Tote.«
    Es gab immer Tote, und gewöhnlich traf es die Unschuldigen und Hilflosen. Radulfus starrte zornig in den Kelch, den seine gefalteten Hände bildeten, und dachte nach.
    »Dann hat der Prior überlebt und konnte einen Brief schreiben. Wo ist er jetzt?«
    »In Sicherheit auf dem Gut eines Verwandten, einige Meilen von der Stadt entfernt. Er ordnete unseren Rückzug an. Die Brüder sollten sich an die wenden, bei denen sie Schutz zu finden hofften. Ich fragte, ob ich mit Bruder Fidelis hier in Shrewsbury um Asyl nachsuchen durfte. Und nun sind wir hier und empfehlen uns Eurem Schutz.«
    »Warum?« fragte der Abt. »Ihr seid willkommen, doch möchte ich wissen, warum Ihr zu uns kommt?«
    »Vater, ich bin ein oder zwei Meilen flußaufwärts von hier auf dem Gut Salton geboren. Ich wollte diesen Ort noch einmal sehen oder wenigstens in seine Nähe kommen, bevor ich sterbe.« Er erwiderte lächelnd den Blick der durchdringenden Augen unter den zusammengezogenen Brauen. »Es war der einzige Besitz meines Vaters in dieser Grafschaft. Dort bin ich geboren. Ein Mann, der aus seinem letzten Heim vertrieben wird, kehrt gern zu seinem ersten zurück.«
    »Gut gesprochen. Soweit es an uns liegt, wollen wir Euch dieses Heim bieten. Und Euer junger Bruder?« Fidelis warf die Kapuze zurück, neigte ehrerbietig den Kopf und machte eine kleine demütige Handbewegung, ohne ein Wort zu sagen.
    »Vater, er kann nicht für sich selbst sprechen. Ich bedanke mich in unser beider Namen. Ich war in Hyde nicht bei bester Gesundheit, und Bruder Fidelis ist aus reiner Freundlichkeit mein treuer Freund und Diener geworden. Er hat keine Verwandten, zu denen er gehen könnte, und deshalb beschloß er, mit mir zu kommen und mich wie zuvor zu pflegen. Falls Ihr es erlaubt.« Er wartete auf das zustimmende Nicken und Lächeln, bevor er fortfuhr: »Bruder Fidelis wird hier Gott mit allem dienen, was er hat und ist. Ich kenne ihn, und ich spreche für ihn. Nur eines, nämlich seine Stimme, kann er nicht anbieten. Bruder Fidelis ist stumm.«
    »Er ist nicht weniger willkommen«, sagte Radulfus, »wenn seine Gebete stumm bleiben. Sein Schweigen mag sogar beredter sein als unsere gesprochenen Worte.« Wenn er erschrocken war, dann hatte er sich so schnell gefangen, daß nichts davon zu bemerken war. Außerdem geschah es ohnehin nicht oft, daß Abt Radulfus aus der Fassung geriet. »Nach dieser Reise«, fuhr er fort, »müßt Ihr müde sein und recht beunruhigt, solange Ihr noch kein Bett, keinen Platz für Euch und keine Arbeit habt. Geht nun mit Bruder Cadfael. Er wird Euch zu Prior Robert führen und Euch die ganze Enklave zeigen, das Dormitorium, den Speisesaal, die Gärten und das Herbarium, über das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher