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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall
Autoren: Ellis Peters
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und formten die Worte nur zögernd, weil sie wenig benutzt worden waren. In der Blüte der Jugend, bevor der Samt zerschlissen war, mußte es eine wundervolle Stimme gewesen sein. »Ist es möglich«, sagte er staunend, »daß wir die ersten sind? Ich glaubte, die Nachrichten wären uns um eine ganze Woche vorausgeeilt.
    Allerdings war die Flucht auf diesem Weg keine leichte Sache.
    Dann müssen wir die Neuigkeiten überbringen? Nun, die Mächtigen lagen über unseren Köpfen im Streit. Aber wer bin ich, daß ich mich beschwere, wo ich doch meine Rolle bei solchen Dingen spielte? Die Kaiserin belagerte die Bischofsburg Wolvesey in der Stadt, und der Bischof ließ brennende Pfeile auf die Dächer statt auf seine Feinde regnen.
    Die Stadt ist verwüstet. Ein Nonnenkloster bis auf die Grundmauern niedergebrannt, Kirchen dem Erdboden gleich, und meine Priorei Hyde Mead, die Bischof Henry so gern in die Hand bekommen wollte, ist in Flammen aufgegangen. Und wir zwei Heimatlosen bitten nun um Zuflucht. Die Brüder haben sich auf alle Benediktinerhäuser im Land verteilt, wo immer sie Bande der Freundschaft oder der Verwandtschaft hatten. Wir können nie mehr nach Hyde heimkehren.«
    Also war es wahr. Die Hand Gottes hatte einen armen Teufel aus der Falle geführt und ihn vom Hügel zurückblicken lassen, damit er das Rot und Schwarz von Feuer und Qualm eine Stadt verschlingen sah. Bischof Henrys Stadt, von seiner eigenen Hand in Brand gesetzt.
    »Gottes Wille geschehe!« sagte Cadfael.
    »So sei es!« Die Stimme mit der süßen Wärme und dem kratzenden Echo hallte im Bogengang des Torhauses. Der Bruder Pförtner kam heraus, lächelte zum Willkommen und winkte beim Anblick der Brüder einem Burschen, der sich um die Maultiere kümmern sollte. Der große Hof lag in heiterem Sonnenschein, und geschäftige Menschen eilten hin und her: Brüder, Laienbrüder, Diener, alle mit ihren gewohnten Alltagsverrichtungen beschäftigt. Die Oblaten und die Schuljungen, deren Unterricht durch eine Pause unterbrochen war, spielten mit einem Ball. Ihre fröhlichen hellen Stimmen durchbrachen die stille halbe Stunde vor der Mittagszeit. Hier war das Leben zu hören, zu spüren und zu sehen, und es verlief so regelmäßig wie die Jahreszeiten.
    Sie blieben im Tor stehen. Cadfael hielt dem Fremden das Zaumzeug, obwohl es nicht nötig war, denn er sprang so gewandt herab wie ein Vogel, der landet und die Flügel einfaltet; doch bewegte er sich langsam, mit müder Anmut, und richtete seinen schmalen, geschwächten Körper auf. Er war über sechs Fuß groß und hielt sich gerade wie eine schlanke Lanze. Der Junge war schon aus dem Sattel gesprungen und stand zögernd dabei. Er beobachtete unbehaglich und eifersüchtig Cadfaels Hilfeleistung. Immer noch sprach er kein Wort, weder eines der Dankbarkeit noch eines des Protests.
    »Wenn Ihr erlaubt, will ich Euch bei Abt Radulfus anmelden«, sagte Cadfael. »Was soll ich ihm sagen?«
    »Sagt ihm, daß Bruder Humilis und Bruder Fidelis aus der ehemaligen Priorei Hyde Mead, die jetzt zerstört ist, in aller Demut und im Namen der Regel um Audienz und um seine schützende Hand bitten.«
    Dieser Mann hatte in der Vergangenheit kaum Demut gezeigt, wenn er sie jetzt auch aus ganzem Herzen verkündete.
    »So will ich es übermitteln«, sagte Cadfael und wandte sich einen Moment an den jungen Bruder, um auch dessen Zustimmung zu erbitten. Der Kopf unter der Kapuze neigte sich bescheiden. Das längliche Gesicht blieb im Schatten versteckt, und immer noch war keine Stimme zu vernehmen.
    »Entschuldigt meinen jungen Freund«, erklärte Bruder Humilis, der aufrecht am milchweißen Kopf seines Maultieres stand. »Er kann seinen Gruß nicht mit Worten zum Ausdruck bringen, denn Bruder Fidelis ist stumm.«

2. Kapitel
    »Führt unsere Brüder zu mir«, sagte Abt Radulfus, indem er sich überrascht und beunruhigt von seinem Schreibtisch erhob, nachdem Cadfael ihm in groben Zügen von den Neuankömmlingen und ihrer Geschichte erzählt hatte. Er schob Pergament und Feder fort und trat aufrecht, dunkel und groß vor das strahlende Sonnenlicht im Fenster seines Sprechzimmers. »Daß dies geschehen konnte! Stadt und Kirche sind verwüstet! Gewiß sind sie hier willkommen, solange sie leben, falls dies nötig ist. Bringt sie zu mir, Cadfael. Und leistet uns Gesellschaft. Ihr sollt später ihr Führer sein und sie zu Prior Robert bringen. Wir müssen für sie einen Platz im Dormitorium finden.«
    Cadfael machte sich auf den
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