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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall
Autoren: Ellis Peters
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Weg. Zufrieden, daß er nicht entlassen war, führte er die Neuankömmlinge durch den großen Hof zur Ecke, wo die Gemächer des Abtes geschützt in einem kleinen Garten lagen. Er war begierig, alles zu hören, was die Reisenden über den Stand der Dinge im Süden zu sagen hatten, und begierig würde auch Hugh sein, sobald er von ihrem Kommen erfuhr. In letzter Zeit kamen die Nachrichten ungewöhnlich langsam über die Straße heran, und die Angelegenheiten drunten in Winchester mochten sich mit beträchtlich höherer Geschwindigkeit entwickelt haben, seit die unglücklichen Brüder aus Hyde verstreut worden waren und anderswo Zuflucht suchen mußten.
    »Vater Abt, hier sind Bruder Humilis und Bruder Fidelis.«
    Nach dem Strahlen draußen war es im kleinen, holzvertäfelten Sprechzimmer dunkel. Die beiden großen, beherrschten Männer standen sich in der schattigen Stille gegenüber und schätzten einander ab. Radulfus selbst zog den Besuchern Stühle heran und lud sie mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen. Doch der junge Mann blieb stehen und zog sich rücksichtsvoll in die Schatten zurück. Er konnte nicht der Sprecher sein; vielleicht war dies der Grund für seine Zurückhaltung. Radulfus, der noch nicht von der Behinderung des jungen Mannes wußte, nahm dieses Verhalten ohne Zeichen von Billigung oder Mißbilligung zur Kenntnis.
    »Brüder, Ihr seid sehr willkommen in unserem Haus, und was wir bieten können, soll Euch zur Verfügung stehen. Wie ich hörte, habt Ihr einen langen Ritt hinter Euch, der einen traurigen Verlust zur Ursache hat. Ich bedaure das Schicksal Eurer Brüder in Hyde. Doch hier dürfen wir immerhin hoffen, Euch Seelenfrieden und eine sichere Zuflucht bieten zu können.
    Bisher hatten wir Glück in diesem schrecklichen Krieg. Ihr, der Ältere, seid Bruder Humilis?«
    »Ja, Vater. Und hier ist der Brief unseres Priors, der uns Eurer Freundlichkeit anempfiehlt.« Er zog den Brief, den er unter der Kutte auf der Brust getragen hatte, heraus und legte ihn auf den Schreibtisch des Abtes. »Ihr wißt sicher, Vater, daß die Abtei von Hyde in den letzten zwei Jahren eine Abtei ohne Abt war. Man sagt, daß Bischof Henry beabsichtigte, die Abtei als bischöflichen Konvent selbst in die Hand zu bekommen, wogegen sich die Brüder energisch zur Wehr setzten. Uns einen Abt zu verweigern, mag ein Schachzug gewesen sein, um uns zu schwächen und unsere Stimme zu dämpfen. Nun spielt dies keine Rolle mehr, denn das Haus von Hyde ist vernichtet, bis auf die Grundmauern geschleift und vom Feuer geschwärzt.«
    »Ist die Zerstörung denn so umfassend?« fragte Radulfus stirnrunzelnd über seine gefalteten Hände hinweg.
    »Das ist sie. Vielleicht wird dort irgendwann ein neues Haus errichtet, wer weiß? Aber nichts vom alten ist geblieben.«
    »Dann sagt mir alles, was Ihr wißt«, erwiderte Radulfus bewegt. »Wir sind hier weit von diesen Ereignissen entfernt und leben beinahe im Frieden. Wie ist es zu diesem Schrecken gekommen?«
    Bruder Humilis, der Demütige - wie mochte sein Name gelautet haben, bevor er sich für die Demut entschieden hatte?
    Er faltete die Hände im Schoß seiner Kutte und erwiderte aus hohlen dunklen Augen den Blick des Abtes. Cadfael bemerkte auf der linken Seite seiner Tonsur eine runzlige Narbe, schon vor langer Zeit verheilt und gebleicht. Er erkannte den halbmondförmigen Umriß einer Wunde, die vom leicht abgelenkten Schlag eines rechtshändigen Schwertkämpfers stammte. Er war nicht überrascht. Kein gerades Schwert der westlichen Welt, sondern ein Krummschwert der Seldschuken.
    Dort also hatte er die Bronzefarbe bekommen, die zu kränklichem Hellbraun verblaßt war.
    »Die Kaiserin drang Ende Juli nach Winchester ein, das genaue Datum weiß ich nicht mehr, und bezog im Königsschloß am Westtor Quartier. Sie sandte nach Bischof Henry, und angeblich habe er geantwortet, daß er kommen wolle, daß es jedoch eine kleine Verzögerung gebe; aus welchem Grunde, weiß ich nicht. Er zögerte recht lange, und wie es schien, nutzte er diese Schonfrist recht gut, denn als die Kaiserin die Geduld verlor und ihre Streitkräfte gegen ihn ins Feld schickte, hatte er sich schon sicher in seiner Burg Wolvesey am südöstlichen Stadtrand verbarrikadiert. Und die Königin, so sagt man in der Stadt, führte ihre Flamen eilig heran, um ihm zu helfen. Ob dies zutrifft oder nicht, auf jeden Fall hatte er eine starke und gut gerüstete Garnison in der Burg. Ich bitte Gott und Euch, Vater, um
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