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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel
Autoren: Irene Scharenberg
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jeden Fall aus«, lenkte er die Befragung auf einen anderen Aspekt. »Zumindest haben Sie das gegenüber meinem Mitarbeiter geäußert, wenn ich das recht verstanden habe.«
    »Der Erwin und Selbstmord, dat passt überhaupt nich zu den. Der war doch immer gut drauf. Und der hat sich so auf den Tag heut gefreut.«
    Vielleicht weil er diesen Tag als krönenden Abschluss seines nicht mehr lebenswerten Lebens ansah, dachte Pielkötter kurz. Allerdings erklärte das kaum, warum er bereits vor dem Sprung geschrien hatte. Wenn er in diesem Moment solche Angst vor seinem eigenen Entschluss gehabt hätte, dass er einen Schrei ausstoßen musste, hätte er einfach nicht zu springen brauchen. Dennoch konnte es nicht schaden, bei seinem Arzt nach Depressionen oder unheilbaren Leiden zu fragen. Dass man hingegen schrie, wenn man dann tatsächlich gesprungen war und dem nun nicht mehr zu vermeidenden Tod entgegenraste, das war durchaus vorstellbar. Der zweite Schrei passte also zu einem Selbstmord, nicht jedoch der erste.
    »Der Erwin war also immer gut drauf«, stellte Barnowski noch einmal klar.
    »Er hat nicht unter Krankheiten, finanziellen und privaten Problemen gelitten?«, präzisierte Pielkötter.
    Gert Gerke machte ein Gesicht, als müsse er ganz scharf überlegen. »Der Erwin hatte nix Ernsthaftes. Und dat mit der Arthrose hatte sich gebessert. Wahrscheinlich wollte der deshalb hierhin. Um zu beweisen, dass er es trotz seine alten Knochen auf den Hochofen schafft.«
    »Und wie hat es nun mit finanziellen oder privaten Problemen ausgesehen?«
    »Na ja, die Rente von dem is nich gerade üppig. Der Erwin hat etwa datselbe wie ich, aber man kann schon davon leben. Wir wissen doch, wo et en günstiges Pilsken gibt, und son teuren Schickimicki-Kram brauchen wir ja nich.«
    »Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Kumpel Feinde gehabt hat?«
    »Feinde?« Er verzog seine Miene, als hätte man ihn nach irgendwelchen Marsmännchen gefragt. »Nee, nee, nich der Erwin. Der war doch totgut.«
    »Verwandte?«, legte Pielkötter schnell nach, um einem möglichen Gefühlsausbruch vorzubeugen.
    »Eine Tochter. Eva-Magdalena Yildiz. Zu der hat er jedoch keinen Kontakt. Zumindest nicht, seit sie mit einem Türken verheiratet ist. Dabei war der Erwin vorher so stolz auf die. Hört man ja schon an dem Namen. Eva-Magdalena. Also ich hätte mein Kind ganz bestimmt nicht so genannt. Ja, die Evi, so nenn ich die immer, sollte eben wat Besonderet sein. Und dann schnappt die sich son türkischen Fahrer vonne LKWs. Dat hat mein Kumpel schwer getroffen. Ich hab oft gesacht: Mensch Erwin, die Liebe macht doch nich vor irgendwelche Nationalitäten halt. Dat ist auch gut so, finde ich. Aber der Erwin wollt davon nix hören. Seit seine Gerlinde verstorben ist, hatte er sich ja voll auf die Evi konzentriert.« Gert Gerke fuhr sich mehrmals nachdenklich mit der rechten Hand übers Kinn. »Wenn die Gerlinde noch gelebt hätte, wäre dat sowieso nich eskaliert. Die hätte ihm schon die Wurzel geschruppt. Seine Frau und ich waren viel toleranter als er. Wie oft hab ich auf den Erwin eingeredet. Kumma, hab ich gesacht, Untertage da hatten wir doch so töfte Kumpels, die Türken waren. Doch davon wollt der Erwin absolut nix wissen. Dat wär wat ganz Anderet.«
    »Eva-Magdalena Yildiz heißt also die Tochter«, stellte Pielkötter noch einmal fest, nachdem der Zeuge offensichtlich geendet hatte. »Weitere enge Verwandte gibt es nicht.«
    Gerte Gerke nickte zur Bestätigung.
    »Wissen Sie zufällig, wo sie jetzt wohnt?«
    »Falls die nicht umgezogen ist, lebt die in Moers. Genauer gesagt in Meerbeck. Dat is sonne typische Bergarbeiterkolonie.«
    »Vielen Dank für Ihre Informationen«, sagte Pielkötter und drückte ihm plötzlich die Hand. »Leider kann ich Ihren Kumpel nicht wieder lebendig machen, aber ich werde alles tun, um seinen Tod aufzuklären. Dazu kommen auch Sie morgen bitte noch einmal ins Präsidium.«
    Als Gert Gerke sich erhob, wirkte er, als läge nun die gesamte Last der Welt auf seinen Schultern.
    »Bisher deutet wirklich nichts auf einen Selbstmord hin«, erklärte Pielkötter, während er und Barnowski auf die Bedienung warteten. »Ob es sich aber um einen Mord handeln könnte, da bin ich mir wesentlich weniger sicher.«

5. Kapitel
    Als Pielkötter auf der A 40 über die Rheinbrücke fuhr, schaute er auf die Halde Rheinpreußen mit dem unübersehbaren Geleucht. Die begehbare Grubenlampe, die nach Otto Pienes Entwurf errichtet worden war,
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