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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel
Autoren: Irene Scharenberg
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machte sich zur Zielscheibe! Einen Moment verharrte er und horchte in die Stille. Schließlich ging er weiter. Erst langsam, dann sicherer und schneller. Seine Schritte schienen die Stufen aus Eisengitter in Schwingung zu versetzen. Auf jedem Podest blieb er stehen, schaute durch die Gitterstruktur nach unten und lauschte. Dabei versuchte er, sein leises Schnaufen zu unterdrücken. Obwohl er nichts außer einem gedämpften Rauschen vernehmen konnte, fühlte er, dass da jemand war.
    Er war nicht allein hier.
    Das Gefühl verstärkte sich mit jedem weiteren Treppenabsatz. Plötzlich flammte blaues Licht auf. Starr vor Schreck drückte sich Erwin gegen das Geländer, dann lachte er hysterisch. Die Beleuchtung hatte sich eingeschaltet, war wahrscheinlich mit einem Dämmerungsschalter verknüpft. Erleichtert atmete er aus, um gleich wieder zu erschrecken.
    Ein Geräusch kam vom Fuß der Treppe.
    Angstschweiß trat auf seine Stirn. Er war nun ganz sicher, nicht allein auf dem Hochofen zu sein. Leider drohte die Gefahr von unten. Es gab kein Zurück. Der Fluchtweg war ihm verschlossen. Die Gewissheit, dass Gert mit denen gemeinsame Sache machte, traf ihn wie ein Fausthieb in die Magengrube. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er Todesangst. So schnell seine Gelenke es zuließen, hastete er die nächsten Treppenstufen hinauf. Am liebsten hätte er geschrien, aber wer sollte ihn hier schon hören? Er verriet allenfalls seinem Verfolger, wie groß der Abstand zwischen ihnen war. Keuchend rannte er weiter. Seine Lunge brannte, seine Beine schmerzten, sein Kopf schien zu platzen, er gab jedoch nicht auf und stolperte nach oben.
    Mit zitternden Knien erreichte er das oberste Podest. Er atmete in kurzen, hastigen Zügen. Endlich wagte er sich umzudrehen. Alles blieb still. Er hatte sich einfach verhört. Da war nichts. Der Schnaps, das lag bestimmt am Schnaps. Offensichtlich war ihm der Sprit zu Kopf gestiegen. Erwin leuchtete mit der Taschenlampe hinab. Das Metall der Stufen leuchtete auf. Dann traf der Strahl auf etwas Schwarzes.
    Da stand doch jemand!
    Während ihm bewusst wurde, dass es nur einer von denen sein konnte, tanzte der Lichtstrahl im Takt der zitternden Hand, kaum fähig, seinen Verfolger zu erfassen. Kreidebleich wich Erwin zurück. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Gert, dieses miese Schwein, hatte ihn tatsächlich verraten. Er musste fliehen, aber wohin? Soviel er wusste, gab es nur einen Auf- und Abgang. Er hatte keine Wahl, als schnellstens die Brüstung der Plattform zu überwinden, um außen nach unten zu klettern. Wahrscheinlich blieben ihm dafür nur noch wenige Sekunden.
    Mit einem lauten Knall fiel die Taschenlampe zu Boden, dann zog sich Erwin mit beiden Armen am Geländer hoch. Dabei wagte er nicht, nach hinten zu blicken. Während er sein rechtes Bein mühsam über die Brüstung der Plattform hievte, glaubte er, nun ganz deutlich die Schritte seines Verfolgers zu hören. Adrenalin schoss durch seine Adern, half ihm, auch das linke Bein eilig nachzuziehen. Seine Füße jedoch fanden keinen Halt. Ängstlich schaute Erwin nach unten. Nur konnte er im Dunkeln kaum etwas erkennen. Seine Zehenspitzen tasteten erfolglos an dem glatten Geländer entlang.
    Für einen kurzen Moment erinnerte er sich daran, wann er zum letzten Mal laut geheult hatte. Er biss die Zähne zusammen. Doch seine Hände konnten ihn kaum mehr halten.
    Plötzlich kam der Mond hinter einer Wolke hervor. Erwin wollte den Blick nach unten richten, aber dann sah er einen schwarzen Schatten auf der Plattform. Eine Gestalt schnellte auf ihn zu. Er schrie. Um den Angreifer abzuwehren, löste er seine rechte Hand. Mit einem Mal wurde es stockfinster. Er ist direkt über mir, schoss es durch Erwins Kopf. Vor Schreck öffneten sich die Finger seiner Linken. Ein zweiter Schrei zerriss die abendliche Stille.

2. Kapitel
    Pielkötter pfiff leise vor sich hin. Nur äußerst selten war er mit sich und der Welt so zufrieden wie heute. Endlich hatte er sich mit seiner Frau Marianne richtig ausgesprochen und die Versöhnung gefeiert – mit allem Drum und Dran. Die Erinnerung an die vergangene Nacht entlockte ihm auch nach so vielen Stunden ein glückliches Lächeln. Jetzt freute er sich auf den Abendbesuch seines Sohnes Jan Hendrik. Selbst dessen Lebenspartner Sebastian war ihm inzwischen ein willkommener Gast. Heute konnte er kaum noch verstehen, wieso es ihm derart schwergefallen war, die Homosexualität seines Sohnes zu
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