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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel
Autoren: Irene Scharenberg
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einfach noch zu tief.
    Er goss sich ein zweites Gläschen Wodka aus der Flasche ein, die auf einem runden Beistelltisch neben dem Fernsehsessel stand. Auch den hatte Marianne erst vor einer Woche gekauft. Das hätte Anlass zu Hoffnung sein können. Tatsächlich hatte sich seine Ehe aber nicht zum Besseren gewendet. Einkaufen als Ersatzbefriedigung? Pielkötter stieß einen leisen, undefinierbaren Laut aus, der entfernt an einen Seufzer erinnerte. Anschließend stürzte er den eingeschenkten Wodka in einem Zug hinunter.
    Wenn er ganz ehrlich war, musste er natürlich zugeben, dass er in den letzten Jahren beruflich viel mehr in seine Arbeit investiert hatte als in seine Ehe. Nicht einmal die von Milton empfohlene Liste hatte er bisher erstellt. Missmutig drückte er auf die Fernbedienung und zappte durch einige Programme. Eine Schmonzette im Ersten, fliegende Fische auf Arte, wer wird Millionär? Er hatte noch keine passende Sendung gefunden, da rauschte Marianne ins Zimmer.
    »Mach die Flimmerkiste aus«, sagte sie in einem Tonfall, der ihm nicht gefiel. »Bitte. Ich muss mit dir reden.«
    Pielkötter drehte sich zu ihr um. Ihre ernste Miene verhieß nichts Gutes. »Jetzt sofort?«
    »Ja, ich möchte nicht wieder tagelang warten, bis ich dich vor Mitternacht zu Gesicht bekomme.«
    Leider war an ihrer Übertreibung mehr als ein Körnchen Wahrheit. Er murmelte darauf irgendetwas Unverständliches, das wohl nur als tiefes Brummen zu ihr gelangte. »Gut!«, erwiderte er schließlich klar verständlich und knapp. Während sie näherkam, versuchte er in ihren Gesichtszügen zu lesen. Dabei kam jedoch nichts heraus, wenn man davon absah, dass sich in seinem Magen irgendwelche Muskeln zusammenzogen.
    Marianne nahm in einem Sessel Platz und rückte ihn so zurecht, dass sie ihm genau gegenübersaß. »Ich halte diesen Zustand nicht länger aus«, erklärte sie. Diese Ankündigung heute Abend traf ihn unvorbereitet. »Aber was machst du? Sitzt hier rum und siehst fern, als ob alles in bester Ordnung wäre. Dabei ist nichts in Ordnung. Rein gar nichts. Und ich kann einfach nicht länger darüber hinwegsehen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe diese Untätigkeit satt. Ich mag nicht mehr jeden Tag aufs Neue grübeln, wie unsere Chancen stehen. Ich möchte nicht weiter darum weinen, dass unsere Ehe unaufhaltsam ihrem Ende entgegengeht. Stattdessen will ich endlich verarbeiten und einen Schlusspunkt setzen, damit ich mein Leben allein starten kann.«
    »Was?«, fragte Pielkötter irritiert. Seine Magenwände schienen mit einem Mal einen Veitstanz aufzuführen.
    »In der kommenden Woche ziehe ich aus.«
    Während sich ihre Augen mit Tränen füllten, bekam er den Eindruck, für einen Moment setze sein Herzschlag aus. »Aber du kannst mich doch nicht einfach vor vollendete Tatsachen stellen«, polterte er plötzlich los. »Noch dazu so unerwartet.«
    »Unerwartet, wirklich unerwartet? Dann bist du wahrlich ein Meister im Verdrängen.«
    »Über so einen gravierenden Einschnitt muss man reden. Verhandeln. Da finden wir bestimmt Kompromisse.«
    »Reden?«, höhnte sie, »verhandeln? Wie oft habe ich dich darum gebeten. Du hattest nie die Zeit dazu. Und für Kompromisse ist es längst zu spät, womöglich kamen sie sogar niemals infrage. Ich bin es leid, eine äußere Fassade aufrechtzuerhalten.« Sie stockte. »In Gefühlsdingen gibt es für mich sowieso keine halben Sachen.«
    Pielkötter hatte ihr mit bleichem Gesicht zugehört. Seltsamerweise blieb er stumm. Tausend Dinge schossen ihm durch den Kopf. Er wollte so vieles erwidern, schaffte es aber nicht. Seine Magenwände schienen noch immer gegen einen hartnäckigen Feind anzukämpfen.
    »Du siehst es also ein«, fuhr Marianne nach einer Weile des Schweigens fort. Dabei rannen zwei Tränen über ihre Wangen. »Freut mich, dass wir uns nicht darüber streiten.«
    Seine Hand hätte die Tränen am liebsten fortgewischt, sein Mund protestiert, aber er blieb stumm in seinem Sessel sitzen. »Wo willst du denn hin?«, brachte er schließlich hervor.
    »Ich ziehe in das Haus meiner Chefin in der Nähe des Innenhafens. Dort ist gerade eine kleine Wohnung frei geworden. Nun habe ich die Gunst der Stunde genutzt und sie gemietet.«
    Für Pielkötter hatte das nicht das Geringste mit einer Gunst der Stunde zu tun, er behielt diese Einschätzung jedoch lieber für sich. »Gibt es denn keine Möglichkeit, dich umzustimmen?«, kam es mühsam über seine Lippen.
    »Nein, Willibald«, erklärte
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