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012 - Der Schatten des Vampirs

012 - Der Schatten des Vampirs

Titel: 012 - Der Schatten des Vampirs
Autoren: Maurice Limat
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Die Angst saß Felipe in den Knochen. Er klapperte fast mit den Zähnen. Natürlich wusste er selbst, dass es Wahnsinn war, vor Sonnenaufgang in diese vermaledeite Gegend zu reiten. Aber er wusste keinen anderen Ausweg mehr.
    Er wollte nur eins: diese Qual beenden. Deshalb hatte er sich entschlossen, La Bruja, die Hexe, im Tal des Todes aufzusuchen.
    Das Pferd spürte seine wachsende Angst, und er schlug ihm die Sporen in die Flanken. Blut rann über den Bauch des Tieres und lockte die Carapanas herbei, die Riesenmücken des Amazonas. In dichten Schwärmen stürzten sie sich auf Ross und Reiter. Felipe schlug mit der flachen Hand zu und zerquetschte die widerlichen Insekten, die sich schon mit Blut vollgesogen hatten.
    Der Boden wurde morastig, und die Hufe des Pferdes versanken im Schlamm. Felipe musste ihm immer wieder die Sporen geben, damit es weiterging.
    Das Tier witterte die Gefahr. Während Felipe es immer wilder antrieb, stieg seine eigene Erregung. Abwechselnd versuchte er es mit guten Worten und mit Flüchen. Er schrie, um sich selber Mut zu machen. Zwischen den riesigen Bäumen und den üppigen Sträuchern klang seine Stimme so unheimlich, dass er sie fast nicht wieder erkannte.
    Obwohl sich das Pferd sträubte, kam er gut voran. Gestern
    Abend hatte er das Dorf der Kautschukarbeiter verlassen. Er war nicht wie sonst mit den anderen in die Posada gegangen, wo Abend für Abend der Aguar diente, ein nachgemachter Kognak, in Strömen floss. Das war das einzige Vergnügen in der Grünen Hölle des Amazonas, in der immer wieder Männer versuchten, dem Urwald den wertvollen Hevea-Kautschuk zu entreißen.
    Felipe hatte sein Pferd gesattelt, um in die Gegend zu reiten, die alle für verhext hielten.
    Die Sonne war untergegangen, und der Himmel hatte sich mit orangefarbenen, blutroten Streifen überzogen. Immer weiter entfernte sich der einsame Reiter von der Siedlung der Kautschukarbeiter und drang ein in diese bedrohliche Welt, die nun zum Leben erwachte.
    Die Moskitos waren ihre ersten Boten. Sie schlüpften ihm unter die Jacke und die Büffellederhosen, und er spürte ihre nadelfeinen Stiche. Aufgeschreckt durch den Galopp des Pferdes, tauchten um ihn herum alle möglichen Tiere des Dschungels auf.
    Er hörte die Tigerkatze, die Maracaja, miauen, und im letzten Tagesschimmer sah er bleiche Reptilkörper, die sich auf hohen Ästen räkelten.
    Das Pferd fing an zu zittern und bäumte sich auf bei diesem grässlichen Anblick. Es machte immer wieder den Versuch, durchzugehen, und Felipe hatte alle Mühe, es zu zügeln.
    Mehrere Male zerrissen Ross und Reiter die riesigen Netze von Vogelspinnen, die von Baum zu Baum gespannt waren.
    Felipe ekelte sich vor den giftigen Schleiern, die ihn weich einhüllten wie ein Leichentuch, und zerriss wütend die unheimlichen Gewebe, die ihn und sein Pferd umgaben. Einmal hatte er sogar eine Spinne zwischen den Fingern, die er angewidert von sich schleuderte. Das Ungeheuer war so groß wie eine Apfelsine und klammerte sich mit seinen zwanzig Zentimeter langen Beinen an seinen Sattel.
    „Ich muss zu ihr“, sagte er laut, um sich Mut zu machen. „La Bruja muss mir helfen. Ich kann so nicht weiterleben.“ Er war am Ende und wusste sich keinen Rat mehr. Zum Alkohol, der mörderischen Hitze, der Erschöpfung und dem Fieber kam noch etwas anderes, das ihn an den Rand des Wahnsinns brachte.
    Er war verrückt nach Conchita, die ihm den Laufpass gegeben hatte wegen dieses Santiago.
    Eine ganz banale Angelegenheit, die in einem anderen Klima bedeutungslos gewesen wäre. Aber hier im Dschungel, in dieser gottverlassenen Gegend, tausend Meilen von Manaos, der nächsten größeren Stadt und der übrigen Welt entfernt, gab es nur eine einzige Frau, die diesen Namen verdiente. Sonst waren da nur ein paar jämmerliche Indianerinnen und ein paar Freudenmädchen am Ende ihrer Laufbahn.
    Felipe hatte sich entschlossen, auch wenn es ein selbstmörderisches Unternehmen war, allein in finsterer Nacht zu La Bruja zu reiten. Vierzig Kilometer Urwald hatte er zu durchqueren. Er musste, wenn möglich, dem Lauf des Arroyo folgen, der ihm sicher die Richtung wies und den Weg durch den Urwald, wo er am undurchdringlichsten war, ersparte. Das hatte allerdings den Nachteil, dass er durch das sumpfige Labyrinth entlang des Flussbettes reiten musste. Dann schlug er noch einen kleinen Umweg ein, um einer Herde von Nabelschweinen auszuweichen. Diese kleinen Pécaris, wilde Urwaldschweine, lebten in großen
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