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012 - Der Schatten des Vampirs

012 - Der Schatten des Vampirs

Titel: 012 - Der Schatten des Vampirs
Autoren: Maurice Limat
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körperlich zu fühlen glaubte.
    Als sie ihren Blick für den Bruchteil einer Sekunde hob, war es nicht Santiago, der ihr ins Auge fiel.
    Ein Mann war in den Saal geglitten. Von den Petroleumlampen fiel ein fahler Schein auf die Schwaden von Mücken und Nachtschmetterlingen. Niemand hatte den Spätankömmling bisher bemerkt. Die Zuschauer standen ganz im Banne Conchitas. Und Santiago, der allen Grund gehabt hätte, wachsam zu sein, hatte nicht aufgepasst.
    Der Mann setzte sich in eine Ecke, wo wenig Licht hinfiel,
    aber die „Mama“ hatte ihn dennoch erspäht.
    Lautlos zwischen den Tischen hindurch gleitend, näherte sie sich ihm und flüsterte: „Es wäre besser, wenn du wieder gingest.“
    Er schien nicht zu verstehen und bestellte einen Schnaps.
    „Ich sage dir, du wirst Ärger kriegen, Felipe.“
    Felipe streifte sie mit einem kalten Blick.
    „Was willst du denn? Denkst du, ich kann nicht zahlen? Jeder Mensch hat das Recht, in deine Kneipe zu kommen. Oder nicht?“
    „Ich meine es ja nur gut“, sagte die Wirtin. „Es wäre nur zu deinem Besten.“
    „Ach, du lieber Gott, oder vielleicht zum Besten von den beiden, nicht wahr?“
    Sein Kinn wies auf die tanzende Conchita und auf ihren Liebhaber.
    Die „Mama“ brachte ihm den verlangten Schnaps.
    „Da, trink, und dann geh ins Bett.“
    Er blieb ruhig sitzen, trank sein Glas in einem Zug leer und beobachtete die Tänzerin. Er litt unsagbar.
    Concha hatte ihm immerhin reinen Wein eingeschenkt. Sie wollte ihn nicht betrügen, als die Sache mit Santiago anfing. Also sagte sie ihm, dass sie ihn nicht mehr liebe, ja, dass sie ihn schon lange nicht mehr ertragen konnte. Trotz seiner Beschimpfungen und Bedrohungen hatte sie ihn daraufhin verlassen.
    Alle Seringueiros dachten, jetzt gäbe es ein Duell. Aber nichts war geschehen. Felipe war für mehrere Tage verschwunden, und man hatte angenommen, dass er sich vielleicht etwas angetan oder dass ihn im Dschungel ein Raubtier getötet hätte.
    Doch dann war er wiedergekommen, abgezehrt, erschöpft, allein. Er half den anderen nicht bei der Ernte. Er lag nur den ganzen Tag in der Hütte herum, die Concha verlassen hatte, und trank.
    .Sie litt unter dem Unglück, das sie ihm zugefügt hatte, und das war mit ein Grund, warum sie mit ihrem neuen Geliebten den Urwald bald verlassen wollte, um an einem anderen Ort eine bürgerliche Ehe zu führen.
    Einige Männer in der Kneipe stießen sich mit den Ellbogen an. Sie hatten Felipe nun auch in seiner dunklen Ecke bemerkt.
    Concha beendete ihren Tanz unter Riesenapplaus. Eine stolze Freude erhellte Santiagos Gesicht. Aber Concha, die zwar ihren Verehrern zulächelte, war blass geworden. Santiago, dem keine Regung entging, konnte sich nicht erklären, was vorging. Dann folgte er ihrem Blick, der in die Tiefe des Raums glitt. Da begriff er.
    Einen Moment war es ganz still. Niemand sprach ein Wort, alle warteten.
    Aber wer mit einem blutigen Schauspiel gerechnet hatte, der wurde enttäuscht. Felipe stand brüsk auf, warf ein Geldstück auf den Tisch und ging hinaus.
    Höhnisches Grinsen folgte ihm. Man verachtete hier einen Mann, der sich so von einer Frau blamieren ließ. Dabei erstaunte er alle, die ihn kannten, durch seine ungewohnte Tatenlosigkeit.
    Die „Mama“ gab den Musikern ein Zeichen, und Concha, Sklavin ihres Berufs, fing wieder an zu tanzen. Einen Bolero.
    Felipe irrte durch das Dorf. Er taumelte wie ein Betrunkener, obwohl er heute erst wenig getrunken hatte. Der Anblick der charmanten Conchita hatte ihn wieder zutiefst getroffen und seine Qualen neu geweckt.
    Er stand noch immer unter dem Eindruck seines Besuchs bei der Bruja. Ihre Prophezeiungen saßen wie ein Stachel in seiner Brust. Wenn er Conchita noch einmal besitzen wollte, dann müsste auch er Unglück auf sich nehmen, nicht nur sein Rivale. Das hatte ihm die Zauberin eindringlich erklärt. Und er würde noch nicht einmal Conchas Liebe wieder erringen können, daran hatte sie keinen Zweifel gelassen.
    Seit achtundvierzig Stunden zögerte er, etwas zu unternehmen. Er war abergläubisch wie alle schlechten Christen und verwechselte Glauben und Aberglauben wie die meisten der Desparados hier im Urwald. Sie konnten genauso inbrünstig zur Madonna wie zum Teufel beten und machten sich ohnehin keine Illusionen über ihre Zukunft.
    Beinahe war er versucht, darauf zu verzichten. Er wollte die Melodie, die ihm die Bruja beigebracht hatte, einfach wieder vergessen. So würde der Zauber nicht entfesselt, und nichts
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