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Ein Fall zu viel

Ein Fall zu viel

Titel: Ein Fall zu viel
Autoren: Irene Scharenberg
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Ein Mann war soeben unter ungeklärten Umständen vom Hochofen gestürzt, und Barnowski ließ wie immer auf sich warten.
    Plötzlich hörte er Barnowskis Stimme, als wollte dieser den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. Pielkötter drehte sich um und sah, wie sich sein Mitarbeiter mit den drei Zeugen näherte. Angesichts des anhaltenden Regens fiel die Begrüßung und Vorstellung kurz aus, bevor Pielkötter als Erster das Restaurant betrat. Neugierig sah er sich um. Mitten im Raum standen riesige Isolatoren aus Porzellan, ehemals zentraler Bestandteil des Hauptschalthauses, heute nur noch Dekoration. Pielkötter war die Deko herzlich egal. Das Wichtigste war ein ruhiger Platz um zu reden.
    Pielkötter überlegte kurz, wie er die Befragung gestalten sollte. Normalerweise hätte er die Zeugen lieber einzeln gehört, aber in diesem Fall würde sich die Vernehmung womöglich unnötig in die Länge ziehen, und eine Aufteilung zwischen ihm und Barnowski kam einfach nicht infrage. Er musste sich unbedingt selbst ein Bild machen, wenn er weitere Maßnahmen veranlassen wollte. Er würde also mit allen gemeinsam sprechen. Aber wo? Er schaute sich um.
    Auf der rechten Seite saßen einige jüngere Leute an der Bar und unterhielten sich für seinen Geschmack etwas zu laut. Er schielte zu der Balustrade zu seiner Linken, auf der er von seiner Position aus nur zwei ältere Herren erkennen konnte. Da wären sie weitgehend ungestört.
    »Setzen wir uns hier oben hin«, sagte er.
    Zielstrebig steuerte er einen der Tische für sechs Personen an. Nach Barnowskis Miene zu urteilen, schien sein Mitarbeiter sich über seine Entscheidung zu wundern. Er sagte jedoch nichts.
    »Es tut mir leid, dass ich Sie noch etwas hier festhalten muss«, erklärte Pielkötter, nachdem sie alle Platz genommen hatten. »Die Bestellung geht natürlich auf mich.«
    Pielkötter sah, wie Barnowski zu einer großen, grünen Tafel an der gegenüberliegenden Wand aus roten Klinkersteinen schielte. Schweinemedaillons mit Salbei im Serranowickel wurden dort angepriesen. Er warf seinem Mitarbeiter einen Blick zu, der voraussichtlich all seine Wünsche im Keim ersticken würde.
    »Ich hoffe, das dauert nicht allzu lange«, sagte Markus Hollenberg. »Morgen muss ich zeitig raus. Meine Frühschicht beginnt um sechs Uhr. Ich arbeite in einer Reparaturkolonne bei Thyssen-Krupp, die rund um die Uhr im Einsatz ist.«
    »Wenn Herr Gerke nichts dagegen hat, fangen wir direkt mit Ihnen an«, erwiderte Pielkötter.
    »Machen Se mal ruhig. Zum Glück ist bei mir schon Schicht im Schacht, und ich kann ausschlafen.« Der Zeuge hatte dabei gelächelt, aber kurz darauf wurde sein Gesicht wieder sehr ernst.
    Eine etwa zwanzigjährige, hübsche Bedienung stieg die Stufen zu ihnen hinauf und fragte nach ihren Wünschen. Pielkötter bestellte Kaffee, Gerke ein Bier, für den Rest war Cola angesagt.
    »Na dann, schildern Sie uns bitte, was Sie beobachtet haben«, forderte Pielkötter Markus Hollenberg auf, nachdem die Kellnerin sich entfernt hatte.
    »Also, Daniela und ich sind an der Emscherpromenade entlangspaziert. Plötzlich haben wir diesen Schrei gehört. Zuerst haben wir nicht genau gewusst, wo der hergekommen ist. Aber dann haben wir gesehen, wie jemand vom Hochofen in die Tiefe gestürzt ist.«
    »Von der Aussichtsplattform?«
    »Das nehme ich an, gesehen habe ich das nicht. Der war schon weiter unten, als wir hingeschaut haben. Allerdings kann er nur von dort gekommen sein, so wie er gefallen ist«, antwortete Markus Hollenberg.
    Daniela Lechner nickte zur Bestätigung, und Gert Gerke wischte sich möglichst unauffällig eine Träne aus dem linken Augenwinkel.
    »Wie spät war das?«
    »Etwa Viertel vor neun.«
    Die Zeugin nickte erneut.
    »Haben Sie weitere Personen bemerkt? Auf dem Hochofen oder hier unten?«
    »Nein«, kam es wie aus einem Munde.
    Pielkötter wandte sich nun an Daniela Lechner. »Jetzt schildern Sie mir bitte den Ablauf aus Ihrer Sicht.«
    »Es war alles genauso, wie Markus das beschrieben hat.«
    »Trotzdem sind mir Ihre eigenen Worte wichtig.«
    Sie atmete hörbar ein und aus. Ihr Blick wirkte angestrengt. »Zuerst haben wir einen Schrei gehört«, erklärte sie endlich. »Der schien vom Hochofen zu kommen. Wir haben nach oben geschaut, dort aber nichts entdecken können. Kurz darauf hat wieder jemand geschrien, und dann haben wir den Mann in der Luft gesehen. Es war so schrecklich. Wir konnten ja nichts mehr tun.«
    Pielkötter und Barnowski wechselten
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