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Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
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mein Kissen.
    Ich war krank vor Sorge, daß das Telefon klingeln könnte und ich nach draußen in den dunklen Morgen gerufen werden würde und Marino sagen müßte: "Ich habe es Ihnen gesagt, Sie blöder Idiot! Ich habe es Ihnen gesagt!"
    Was machte das Großmaul jetzt überhaupt? Ich knipste das Licht aus und zog die Decken über meine Ohren. Wahrscheinlich trank er Bier und sah fern.
    Ich setzte mich auf und machte das Licht noch einmal an. Das Telefon auf dem Nachttisch schien mich auszulachen. Es gab niemanden, den ich anrufen konnte. Wenn ich Wesley anrief, würde er Marino anrufen. Wenn ich die Kriminalpolizei anrief, dann würde derjenige, der sich anhörte, was ich zu sagen hatte - vorausgesetzt, er nahm mich ernst -, Marino anrufen.
    Marino. Er leitete diese verdammte Ermittlung. Alle Wege führen nach Rom.
    Ich schaltete das Licht wieder aus und starrte in die Dunkelheit.
    "911." "911."
    Ich hörte ständig die Stimme, während ich mich im Bett hin und her wälzte.
    Es war nach Mitternacht, als ich leise nach unten ging und die Cognacflasche aus der Bar holte. Lucy hatte sich nicht gerührt, seit ich sie vor ein paar Stunden ins Bett gesteckt hatte. Sie schlief tief und fest. Ich wünschte, ich könnte dasselbe von mir sagen. Ic h goß zwei Portionen wie Hustensaft hinunter, schlich wieder in mein Schlafzimmer hinauf und machte das Licht wieder aus. Ich konnte hören, wie sich die Zeiger auf der Uhr weiterbewegten.
    Klick. Klick.
    Halb wach, halb schlafend warf ich mich unruhig hin und her. " ... Was hat er denn genau zu dieser Tyler gesagt?" Klick. Das Band lief weiter.
    "Es tut mir leid." Ein verlegenes Lachen. "Ich schätze, ich habe die neun statt der vier gewählt... "
    "Hey, macht nichts ... Ich wünsche Ihnen noch einen schönen
    Abend." Klick.
    " ... die neun statt der vier..."
    "911."
    "Hey... Er ist ein gutaussehender Bursche. Er braucht einer Lady keine Pillen in den Drink zu werfen, damit sie weich wird."
    "Er ist ein Dreckskerl!"
    " ... weil er weggefahren ist, Lucy. Mr. Boltz ist in Urlaub gefahren."
    "Oh." Augen voll unendlicher Trauer. "Wann kommt er wieder?"
    "Nicht vor Juli."
    "Oh. Warum konnten wir nicht mit ihm fahren, Tante Kay? Ist er zum Strand gefahren?"
    " ... Du sagst nie die Wahrheit über uns, weil du gar nichts sagst... "
    "911."
    Ich war im Haus meiner Mutter, und sie sagte etwas zu mir.
    Ein Vogel kreiste träge über uns, und ich fuhr in einem Lieferwagen mit jemandem, den ich weder kannte noch sehen konnte. Palmen rauschten vorbei. Langhalsige weiße Reiher stolzierten in den Mangroven. Die weißen Köpfe drehten sich zu uns, als wir vorbeikamen. Sie beobachteten uns. Beobachteten mich. Ich versuchte, bequemer zu liegen, indem ich mich auf den Rücken drehte.
    Mein Vater setzte sich im Bett auf und sah mich an, während ich ihm von meinem Schultag erzählte. Sein Gesicht war grau. Seine Augen blinzelten nicht, und ich konnte nicht hören, was ich zu ihm sagte. Er antwortete nicht, aber er starrte mich weiterhin an. Angst schnürte mein Herz zu. Sein weißes Gesicht starrte. Die leeren Augen starrten. Er war tot. "Dadyyyyy!"
    Meine Nasenlöcher waren gefüllt mit krankem, muffigem Schweiß, als ich mein Gesicht an seinem Hals vergrub ... In meinem Kopf wurde es dunkel.
    Ich tauchte wieder in das Bewußtsein auf, wie eine Luftblase, die aus der Tiefe an die Oberfläche steigt. Ich war wach. Ich konnte meinen Herzschlag fühlen. Der Geruch.
    War er wirklich da, oder träumte ich? Der faulige Geruch! Träumte ich? Eine Warnglocke ging in meinem Kopf los und preßte mein Herz gegen die Rippen. Die faulige Luft bewegte sich, u nd etwas streifte mein Bett.

16
    Meine rechte Hand war nicht mehr als dreißig Zentimeter von der 38er unter meinem Kissen entfernt.
    Nie war etwas weiter weg gewesen, es war unendlich weit weg. Es war unmöglich. Ich konnte nicht denken, konnte nur diese Entfernung spüren, während mein Herz hämmerte und gegen meine Rippen schlug. Das Blut dröhnte in meinen Ohren. Mein Körper war starr, jeder Muskel und jede Sehne angespannt, steif und vibrierend vor Angst. Es war pechrabenschwarz in meinem Zimmer.
    Langsam nickte ich mit dem Kopf, die Worte klirrten metallisch, und die Hand preßte meine Lippen gegen die Zähne. Ich nickte. Ich nickte, um zu sagen, daß ich nicht schreien würde. Das Messer an meinem Hals war so groß, daß es sich anfühlte wie eine Machete. Das Bett rutschte nach rechts, und etwas blendete mich. Als sich meine Augen an das Licht
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