Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Fall für Kay Scarpetta

Ein Fall für Kay Scarpetta

Titel: Ein Fall für Kay Scarpetta
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Sekunden an. Ich brauchte zwanzig Minuten, um es zu finden. Ich spielte den Abschnitt dreimal ab, ehe ich begriff.
    Genau um einundzwanzig Uhr dreiundzwanzig antwortete eine männliche Stimme: "911."
    Eine weiche, kultivierte Frauenstimme sagte überrascht nach einer kurzen Pause: "Ach je. Es tut mir leid."
    "Gibt es ein Problem, Ma'am?"
    Ein verlegenes Lachen. "Ich wollte eigentlich die Auskunft anrufen. Es tut mir leid." Sie lachte noch einmal. "Ich schätze, ich habe die neun statt der vier gewählt."
    "Hey, das macht nichts, ist doch prima. Ich bin immer froh, wenn es kein Problem gibt." Er fügte fröhlich hinzu: "Ich wünsche noch einen schönen Abend."
    Stille. Ein Klicken, und das Band lief weiter.
    Auf dem Ausdruck stand nur die Adresse der ermordeten schwarzen Frau unter ihrem Namen: Cecile Tyler.
    Plötzlich wußte ich es. "O Gott! Großer Gott", murmelte ich und verspürte aufkommende Übelkeit.
    Brenda Steppe hatte die Polizei angerufen, als sie ihren Autounfall gehabt hatte. Lori Petersen hatte die Polizei angerufen nach den Angaben ihres Mannes, als sie dachte, einen Dieb gehört zu haben, der sich dann als eine in den Mülleimern herumstreunende Katze entpuppte. Abby Turnbull hatte die Polizei angerufen, als der Mann in dem schwarzen Wagen ihr gefolgt war. Cecile Tyler hatte irrtümlicherweise die Polizei angerufen - sie hatte sich verwählt. Sie wählte 911 statt 411. Eine falsche Nummer!
    Vier der fünf Frauen. Alle Anrufe waren von zu Hause aus geführt worden. Jede Adress e erschien sofort auf dem 911er Computerbildschirm. Wenn die Wohnungen auf den Namen der Frauen gemeldet waren, dann wußte der Telefonist, daß sie vermutlich allein lebten.
    Ich rannte in die Küche. Ich weiß nicht, warum, denn in meinem Arbeitszimmer stand ein Telefon. Ich wählte zitternd die Nummer der Kriminalpolizei. Marino war nicht da.
    "Ich brauche seine Nummer von zu Hause."
    "Es tut mir leid, Ma'am, aber wir sind nicht befugt, diese herauszugeben."
    "Verdammt! Hier ist Dr. Scarpetta, der Chief Medical Examiner! Geben Sie mir seine Telefonnummer!"
    Eine verblüffte Pause. Dann begann der Officer, wer immer es war, sich überschwenglich zu entschuldigen. Er gab mir die Nummer.
    Ich wählte noch einmal.
    "Gott sei Dank", seufzte ich, als Marino abhob.
    "Kein Mist?" fragte er nach meiner atemlosen Erklärung. "Klar, ich werde mich der Sache annehmen, Doc."
    "Denken Sie nicht, daß Sie am besten gleich in die Funkzentrale hinuntergehen und schauen sollten, ob der Bastard dort ist?" schrie ich fast.
    "Was hat denn der Typ gesagt? Haben Sie seine Stimme erkannt?"
    "Natürlich habe ich seine Stimme nicht erkannt."
    "Was hat er denn genau zu dieser Tyler gesagt?"
    "Ich spiele es Ihnen vor." Ich rannte zurück in mein Arbeitszimmer und nahm den Hörer dort auf. Ich spulte das Band zurück, zog den
    Kopfhörer heraus und drehte die Lautstärke auf.
    "Erkennen Sie die Stimme?"
    Marino antwortete nicht.
    "Sind Sie noch da?" rief ich.
    "Hey. Kommen Sie ein bißchen zur Ruhe, Doc. Es war ein schwerer Tag, oder? Lassen Sie es jetzt erst einmal dabei bewenden. Ich verspreche Ihnen, daß ich der Sache nachgehen werde." Er legte auf.
    Ich saß da und starrte auf den Hörer in meiner Hand. Ich saß da, ohne mich zu bewegen, bis das laute Freizeichen verstummte und eine mechanische Stimme sich beklagte: "Wenn Sie telefonieren wollen, legen Sie bitte auf und versuchen Sie es noch einmal... Ich überprüfte die Haustür, sah nach, ob die Alarmanlage angestellt war, und ging nach oben. Mein Schlafzimmer lag am Ende des Korridors und das Fenster ging auf den Wald hinter dem Haus hinaus. Leuchtkäfer blinkten in der rabenschwarzen Dunkelheit hinter dem Fenster, und ich ließ nervös die Jalousien herunter. Bertha hatte die absurde Vorstellung, daß Sonnenlicht in die Zimmer scheinen muß, ob es leer war oder nicht. "Es tötet Bakterien, Dr. Kay", sagte sie immer.
    "Es bleicht die Polster und Teppiche", erwiderte ich dann. Aber sie hatte ihre Meinung. Ich haßte es, wenn ich im Dunkeln nach oben kam und die Jalousien hochgezogen waren. Ich ließ sie herunter, bevor ich das Licht anschaltete, um sicher zu sein, daß mich niemand gesehen hatte, falls draußen jemand gewesen wäre. Aber heute abend hatte ich es vergessen. Ich hatte keine Lust, meinen Gymnastikanzug auszuziehen. Ich konnte auch so schlafen. Ich stieg auf einen Hocker, den ich in meinem Schrank hatte, zog die Schuhschachtel hervor und nahm den Revolver heraus. Ich schob ihn unter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher