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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter
Autoren: Guillaume Musso
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Hauptgesellschafter einer sehr gut gehenden Anwaltskanzlei in Boston gewesen. Sie brauchte keinen beruflichen Erfolg, um sich eine gesellschaftliche Stellung zu erobern, weil sie diese Stellung von Geburt an besessen hatte.
    Einen Moment lang dachte Nathan an all die Stellen ihres Körpers, an denen sich Leberflecke befanden. Dann zwang er sich, diese Erinnerung zu verdrängen, öffnete eine der Akten, die er mitgenommen hatte, und schaltete sein Notebook ein. Er machte sich Notizen und diktierte ein paar Briefe für Abby.
    Endlich, gegen neunzehn Uhr dreißig, erhielt er den Anruf, den er erwartete.
    »Hallo, Pa.«
    »Hallo, kleines Eichhörnchen.«
    Bonnie berichtete ausführlich von ihrem Tagesablauf, wie sie es bei ihren täglichen Telefongesprächen zu tun pflegte. Sie erzählte ihm von Tigern und Flusspferden, die sie beim Zoobesuch mit der Schule im Balboa Park gesehen hatte. Er fragte nach dem Unterricht und nach dem Fußballspiel, an dem sie tags zuvor teilgenommen hatte. Seltsamerweise hatte er nie so viel mit seiner Tochter geredet wie jetzt, da sie dreitausend Kilometer von ihm entfernt lebte.
    Plötzlich klang ihre Stimme unruhig:
    »Ich muss dich um was bitten.«
    »Was immer du willst, mein Schatz.«
    »Ich habe Angst, ganz allein zu fliegen. Ich möchte, dass du mich am Samstag abholst.«
    »Das ist doch dumm, Bonnie, du bist doch schon ein großes Mädchen.«
    Er hatte ausgerechnet an diesem Samstag ein wichtiges Gespräch: Es ging um die letzten Regelungen eines Vergleichs zwischen zwei Firmen, an dem er seit Monaten arbeitete. Und er hatte darauf bestanden, diesen Termin so zu legen.
    »Bitte, Pa, hol mich ab!«
    Nathan ahnte, dass seine Tochter am anderen Ende der Leitung mit den Tränen kämpfte. Bonnie war kein kapriziöses kleines Mädchen. Ihre Weigerung, allein ins Flugzeug zu steigen, bewies, wie groß ihre Angst war. Um nichts auf der Welt wollte Nathan ihr Kummer bereiten. Und ganz bestimmt nicht jetzt.
    »Okay, kein Problem, Schatz. Ich werde da sein. Versprochen.«
    Sie beruhigte sich, und sie sprachen noch ein paar Minuten miteinander. Um sie aufzuheitern, erzählte er ihr eine kleine Geschichte und imitierte wie so oft sehr gekonnt Winnie, das Bärenkind, das einen Topf voller Honig verlangte.
    Ich hab dich lieb, Baby.
    Nachdem er aufgelegt hatte, dachte er kurz über die Folgen des Aufschubs seiner Samstagsverabredung nach. Natürlich gab es immer noch die Möglichkeit, jemanden zu engagieren, der seine Tochter in Kalifornien abholte. Aber diese törichte Idee verwarf er sofort. Das wäre ein Schritt gewesen, den Mallory ihm nie verzeihen würde. Und außerdem hatte er Bonnie versprochen, dass er sie abholen würde. Es kam gar nicht in Frage, sie zu enttäuschen. Er würde schon eine Lösung finden, für dieses eine Mal.
    Er diktierte noch ein paar Notizen aufs Band, dann schlief er auf dem Sofa ein, ohne die Schuhe ausgezogen oder die Lichter gelöscht zu haben.
    Er schreckte hoch, als er die Sprechanlage hörte. Peter, der Portier, rief ihn von seinem Apparat in der Lobby an.
    »Hier ist jemand für Sie, Sir: Doktor Garrett Goodrich.«
    Nathan warf einen Blick auf seine Armbanduhr: Verdammt noch mal, bereits einundzwanzig Uhr! Er hatte nicht die Absicht, sich von diesem Typen bis nach Hause verfolgen zu lassen!
    »Lassen Sie ihn nicht rein, Peter, ich kenne diesen Herrn nicht.«
    »Stellen Sie sich nicht so an«, rief Goodrich, der offenkundig nach dem Hörer gegriffen hatte. »Es ist wichtig.«
    Lieber Himmel! Was habe ich dem Herrn angetan, dass er mir diese Plage schickt?
    Er rieb sich die Augen und dachte nach. Im Grunde wusste er, dass er seine Ruhe erst wiederfinden würde, wenn er mit Goodrich fertig war. Was voraussetzte, dass er erst einmal verstand, was dieser Mann überhaupt von ihm wollte.
    »In Ordnung«, gab er nach, »Sie können ihn hochschicken, Peter.«
    Nathan knöpfte sein Hemd zu, öffnete die Tür des Apartments und trat auf den Treppenabsatz, um den Arzt zu empfangen, der nicht lange brauchte, um in den 23.   Stock zu gelangen.
    »Garrett, was zum Teufel machen Sie hier? Wissen Sie, wie spät es ist?«
    »Schöne Wohnung«, bemerkte der andere und warf einen Blick in das Apartment.
    »Ich habe Sie gefragt, was Sie hier wollen.«
    »Ich glaube, Sie sollten mitkommen, Del Amico.«
    »Scheren Sie sich zum Teufel! Ich stehe nicht in Ihren Diensten.«
    Garrett versuchte ihn zu beruhigen.
    »Und wie wäre es, wenn Sie mir vertrauten?«
    »Was beweist mir, dass Sie
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