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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter
Autoren: Guillaume Musso
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vom Tod erzählt? Sie erlauben doch, dass ich Garrett zu Ihnen sage, nicht wahr?«
    »Ich habe Ihnen vom Leben erzählt, Del Amico, vom Leben und von der Zeit, die vergeht.«
    Nathan nutzte diese Worte, um einen ostentativen Blick auf seine Armbanduhr zu werfen, womit er andeuten wollte, dass »die Zeit tatsächlich vergeht« und seine Zeit kostbar war.
    »Sie arbeiten zu viel«, bemerkte Goodrich lakonisch.
    »Ich bin sehr gerührt, dass sich jemand um meine Gesundheit sorgt, ehrlich.«
    Erneut breitete sich diese Stille zwischen ihnen beiden aus, eine Stille, die gleichermaßen vertraulich und bedrückend wirkte. Dann stieg die Spannung: »Zum letzten Mal: Womit kann ich Ihnen dienen, Sir?«
    »Nathan, ich glaube, ich könnte Ihnen dienen.«
    »Im Augenblick sehe ich nicht, womit.«
    »Das kommt noch, Nathan, das kommt noch. Einige Prüfungen können schmerzlich sein, Sie werden das bald erkennen.«
    »Worauf genau spielen Sie an?«
    »Auf die Notwendigkeit, gut vorbereitet zu sein.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    »Wer weiß denn, was morgen sein wird? Es kommt darauf an, im Leben die richtigen Prioritäten zu setzen.«
    »Das ist ein sehr tiefsinniger Gedanke«, spottete der Anwalt. »Soll das eine Art Drohung sein?«
    »Keine Drohung, Nathan, sondern eine Botschaft.«
    Eine Botschaft?
    Nach wie vor war in Goodrichs Blick keine Feindseligkeit zu erkennen, was aber nicht unbedingt zu Nathans Beruhigung beitrug.
    Wirf ihn raus, Nathan. Dieser Typ redet Unsinn. Spiel nicht sein Spiel.
    »Vielleicht sollte ich es Ihnen nicht sagen, aber ich tu es trotzdem: Wenn Sie nicht auf Empfehlung von Ashley Jordan hier wären, würde ich den Sicherheitsdienst rufen und Sie vor die Tür setzen lassen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, lächelte Goodrich.
    »Zu Ihrer Information: Ich kenne Ashley Jordan nicht.«
    »Ich dachte, Sie seien mit ihm befreundet!«
    »Das war nur ein Trick, um bei Ihnen vorgelassen zu werden.«
    »Hören Sie, wenn Sie Jordan nicht kennen, wer hat Ihnen dann gesagt, dass ich geschieden bin?«
    »Das steht in Ihrem Gesicht geschrieben.«
    Damit war das Fass übergelaufen … Der Anwalt erhob sich mit einem Ruck, riss unbeherrscht und heftig die Tür auf.
    »Ich habe zu arbeiten.«
    »Sie glauben nicht, was man Ihnen sagt, und deshalb verlasse ich Sie … fürs Erste.«
    Goodrich erhob sich von seinem Sessel. Seine kräftige Gestalt wirkte im Gegenlicht wie ein unzerstörbarer mächtiger Koloss. Er wandte sich zur Tür und ging hinaus, ohne sich umzudrehen.
    »Aber was wollen Sie denn eigentlich von mir?«, fragte Nathan hilflos.
    »Ich glaube, Sie wissen es, Nathan, ich glaube, Sie wissen es genau«, rief Goodrich aus dem Flur.
    »Ich weiß gar nichts!«, erwiderte der Anwalt mit Nachdruck.
    Er schlug die Tür seines Büros zu, riss sie wieder auf, nur um in den Flur zu schreien:
    »Ich weiß nicht mal, wer Sie sind.«
    Aber Garrett Goodrich war bereits verschwunden.

Kapitel 3
    Eine große Karriere ist etwas Wunderbares,
    aber wenn man nachts friert,
    kann man sich nicht an sie schmiegen.
    Marilyn Monroe

    Nachdem Nathan die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, schloss er die Augen und presste ein Glas frisches Wasser sekundenlang gegen die Stirn. Irgendwie spürte er, dass dieser Vorfall nicht ohne Folgen bleiben würde, dass er nicht zum letzten Mal von Garrett Goodrich gehört hatte.
    Es fiel ihm schwer, an die Arbeit zurückzukehren. Die Hitzewallungen, die ihn überfluteten, und der stärker werdende Schmerz in seiner Brust hinderten ihn daran, sich zu konzentrieren.
    Mit dem Glas Wasser in der Hand erhob er sich von seinem Stuhl und ging ein paar Schritte in Richtung Fenster, um die bläulichen Reflexe des Helmsey Building zu betrachten. Neben der nüchternen Fassade des Met Life war dieser Wolkenkratzer mit seinem eleganten Turm, auf dem ein pyramidenförmiges Dach thronte, ein wahres Schmuckstück. Er hatte menschliche Dimensionen.
    Ein paar Minuten lang betrachtete Nathan den Verkehr, der nach Süden strömte, vorbei an den Rampen der beiden riesigen Torbögen, die sich über die Fahrbahn spannten.
    Unaufhörlich fiel Schnee, tauchte die Stadt in Weiß- und Grautöne.
    Nathan empfand jedes Mal Unbehagen, wenn er an dieses Fenster trat. Während der Attentate vom 11.   September hatte er an seinem Computer gearbeitet, als die erste Explosion die Stadt erschütterte. Niemals würde er diesen grauenhaften Tag voller Schrecken vergessen, diese Säulen aus schwarzem Rauch, die den klaren
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