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Ein Engel im Winter

Ein Engel im Winter

Titel: Ein Engel im Winter
Autoren: Guillaume Musso
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nicht gefährlich sind?«
    »Absolut nichts«, gab Goodrich zu und zuckte die Schultern. »Jeder Mensch kann gefährlich werden, da stimme ich Ihnen zu.«
    Die Hände in den Taschen und eingemummt in seinen weiten Mantel ging Goodrich seelenruhig die Straße hinunter, während Nathan, der einen guten Kopf kleiner war, neben ihm wild gestikulierte.
    »Es ist eiskalt.«
    »Jammern Sie immer so?«, fragte Garrett. »Im Sommer ist diese Stadt unerträglich. Erst im Winter zeigt New York sein wahres Gesicht.«
    »Quatsch!«
    »Im Übrigen konserviert die Kälte und tötet die Mikroben und dann …«
    Nathan ließ ihm keine Zeit, seine Ausführungen fortzusetzen.
    »Nehmen wir doch ein Taxi …«
    Er trat auf die Fahrbahn und hob den Arm, um ein Taxi herbeizurufen.
    »Hep, hep!«
    »Hören Sie auf zu schreien, Sie machen sich lächerlich.«
    »Wenn Sie glauben, dass ich mir hier die Eier abfriere, damit Sie Ihren Spaß haben, dann irren Sie sich gründlich.«
    Zwei Taxis fuhren an ihnen vorbei ohne zu bremsen. Ein yellow cab hielt schließlich in Höhe der Century Apartments. Die beiden Männer stiegen ein, Goodrich nannte dem Chauffeur das Fahrziel: die Kreuzung der 5.   Avenue und der 34.   Straße.
    Nathan rieb sich die Hände. Der Wagen war gut geheizt. Das Radio spielte ein altes Lied von Frank Sinatra.
    Der Broadway wimmelte von Menschen. Wegen der Feiertage zum Jahresende waren viele Läden die ganze Nacht geöffnet.
    »Zu Fuß wären wir schneller vorangekommen.« Diese Bemerkung konnte sich Goodrich nicht verkneifen, als das Taxi im Stau stecken blieb.
    Nathan warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    Nach einigen Minuten gelang es dem Taxi, in die 7.   Avenue einzubiegen, wo der Verkehr weniger dicht war. Der Wagen fuhr hinunter bis zur 34.   Straße, bog nach links ab und rollte noch ungefähr hundert Meter weiter, bevor er hielt.
    Goodrich zahlte, und die beiden Männer stiegen aus.
    Sie befanden sich am Fuße eines der berühmtesten Gebäude von Manhattan: am Empire State Building.

Kapitel 4
    Der Engel mit dem Flammenschwert, der aufrecht vor dir steht, treibt dir den Dolch in den Leib und stößt dich in den Abgrund!
    Victor Hugo

    Nathan hob den Blick zum Himmel. Seit der Zerstörung der Twin Towers war das alte Empire State Building wieder Manhattans höchster Wolkenkratzer. Fest auf seinem massiven Sockel ruhend beherrschte das Gebäude in einer Mischung aus Macht und Eleganz ganz Midtown. Seine letzten dreißig Stockwerke leuchteten in Rot und in Grün wie immer zur Weihnachtszeit.
    »Sie wollen da wirklich hoch?«, fragte der Anwalt und deutete auf die leuchtende Spitze, die den Schleier der Nacht zu durchbohren schien.
    »Ich habe die Tickets bereits«, erwiderte Goodrich und zog zwei kleine rechteckige blaue Karten aus der Tasche. »Sie schulden mir übrigens sechs Dollar …«
    Nathan schüttelte verärgert den Kopf, resignierte und folgte dem Arzt auf dem Fuße.
    Sie betraten die im Jugendstil gehaltene Eingangshalle. Hinter dem Empfangstisch zeigte eine Wanduhr zehn Uhr dreißig, während ein Schild die Besucher informierte, dass der Ticketverkauf noch eine Stunde lang geöffnet war und das Gebäude bis Mitternacht besichtigt werden konnte. Daneben funkelte eine riesige Reproduktion des Gebäudes wie eine Sonne aus Kupfer. Die Weihnachtszeit zog wie immer viele Touristen nach New York, und trotz der späten Stunde drängten sich viele Menschen vor den Schaltern, an denen Fotos berühmter Leute hingen, die im Lauf der Jahre den Wolkenkratzer bewundert hatten.
    Die von Goodrich besorgten Tickets ersparten den beiden Männern das Anstehen. Sie ließen sich in den zweiten Stock führen, von wo die Aufzüge zur Aussichtsplattform fuhren. Auch wenn es nicht mehr schneite, verhieß die Bildschirmanzeige reduzierte Sicht wegen der Wolken, die über der Stadt hingen.
    In knapp einer Minute brachte sie ein ultraschneller Aufzug in den 80.   Stock. Dort stiegen sie in einen anderen, der zum Turm im 86.   Stock fuhr, und betraten in 320   Meter Höhe den überdachten Saal der Aussichtsplattform, der von Glaswänden geschützt war.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, bleibe ich in diesem gut geheizten Raum«, bemerkte Nathan und zog den Gürtel seines Mantels fester zu.
    »Ich rate Ihnen eher, mir zu folgen«, erwiderte Goodrich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    Sie traten auf die offene Terrasse der Aussichtsplattform. Ein eisiger Polarwind, der vom East River heraufwehte, ließ den Anwalt
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