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Ein Drama für Jack Taylor

Ein Drama für Jack Taylor

Titel: Ein Drama für Jack Taylor
Autoren: Ken Bruen
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die Bücher sahen aus wie Erstausgaben. Obwohl häufig zur Hand genommen, waren sie in gutem Zustand, liebevoll versorgt. Ein Computer auf dem Schreibtisch, ein alter Macintosh. Ich wandte mich dem Beistelltisch zu und sah in schwerem Silber gerahmte Fotos. Auf zweien die tote Frau, und dann ein junger Mann, den ich erkannte. Niall O’Shea, der vor dem Reihenhaus meiner Kindheit herumgealbert hatte; mein Vater hatte ihm den Kiefer gebrochen. Niall O’Shea, der im Hafen den Kran erstiegen hatte und davongesegelt war.
    Heiland.
    Ich saß am Schreibtisch des Professors und zog die Schubladen auf. Ein Blatt Papier mit dem Text aus Deirdre of the Sorrows, den ich auswendig gelernt hatte, der mit den Worten begann:
    »Ihr drei seid’s, die weder Alter noch Tod werden kommen sehen.«
    Scheiße.
    Zog die unterste Schublade auf und fand eine grüne Aktenmappe mit fetten schwarzen Buchstaben vorne drauf:
    DER DRAMATIKER
    Mir schwirrte der Kopf. Hier war ich, löste einen Fall, Stück für Stück, verrichtete tatsächlich anständige Ermittlungsarbeit, und fühlte mich erbärmlich. In der Mappe waren drei Fotos. Die ersten beiden erkannte ich:
    Sarah Bradley
    Karen Lowe
    Auf der Rückseite stand bei beiden, in derselben fetten Druckschrift:
    IN FRIEDEN
    Die dritte kannte ich nicht, und mit einem Gefühl des Bammels sah ich nach, was auf der Rückseite stand:
    BALD
    Ich hatte fast alles. Sie war die Nächste, die Dritte, »die weder Alter noch Tod« würde »kommen sehen«.
    Ich stand auf und rannte herum, öffnete einen Wandschrank. Es standen Flaschen drin. Glenfiddich, Glenlivet, Jameson, Black Bushmills. Ah.
    Ich klappte den Wandschrank schnell wieder zu. Auf dem Tisch war ein Pfeifenständer mit häufig benutzten Bruyèrepfeifen und, Tusch, einer dúidín in der Mitte der Bühne. Jahrhundertelang von den Bauern auf den Aran-Inseln geraucht und sehr beliebt bei Touristen. Sie wurden eigens für die Amerikaner neu hergestellt. Es hieß, die Grasraucher seien besonders angetan von ihnen. Diese war ein alter Knöselkocher aus Ton, und in den Pfeifenstiel war in winzigen Buchstaben gestanzt:
    j.m.s.
    War es möglich?
    Ich ging in die Küche, verbrachte die nächste halbe Stunde mit dem Mahlen von Kaffeebohnen, kriegte den Kaffee nur so einigermaßen hin. Ließ ihn von der Leine. Wenige Aromata können sich mit dem wahren Duft echten Kaffees messen. Spendete mir fast Trost. Ich nehme nie Zucker, diesmal suchte ich aber welchen. Ich fühlte mich schwach und brauchte eindeutig den Schubs. Keramikbecher, von Don Knox, handgemacht. Und dreckig, also spülte und schrubbte ich einen. Schenkte ein und fügte gehäufte Teelöffel Zucker hinzu. Verzichtete auf die Suche nach Milch. Für mich bitte schwarz. Trank ihn auf ex, süß und sengend, und, jawohl, der Ruck kam sofort. Nicht so sehr Energiespender wie Fokussierer. Schenkte den Becher noch mal halb voll und ging in die Garage. Schlürfte die Flüssigkeit und studierte das Dach. Ein dicker Holzbalken lief von einem Ende zum anderen. Ich stellte den Becher ab, nahm das Seil und brauchte drei Versuche, um es über den Balken zu werfen.
    Dann zog ich mir einen Schemel heran und begann, den Knoten zu knüpfen.
    Ich ging zurück ins Arbeitszimmer, schloss das Fenster und zog den schweren Vorhang wieder zu. Dann setzte ich mich auf den Sessel des Professors, richtete mich auf Warten ein. Es wurde langsam dunkel, als ich den Schlüssel in der Haustür hörte. Dann Keuchen und mühsames Atmen und das Geräusch einer schweren Aktentasche, die zu Boden fällt. Er kam ins Arbeitszimmer und knipste das Licht an. Seine erste Reaktion war Schock, aber er fasste sich schnell, lächelte wissend, sagte:
    »Jack Taylor, nehme ich an.«
    Er war ein großer Mann, trug einen Anzug aus Schurwolle, der einst teuer gewesen war. Jetzt war er nur noch schäbig. Dazu ein dunkelweißes Hemd mit schiefem Schlips, und sein langes weißes Haar war verwuschelt, mit Schuppen auf den Schultern. Er sah dem britischen Schauspieler Brian Cox nicht unähnlich, der in dem unterschätzten Film Blutmond den ersten Hannibal Lecter gespielt hatte. Eine zurückgehaltene Kraft, markiges Gesicht, pockennarbige Haut und blutunterlaufene Augen. Allerdings lebhaft, kündeten von wilder Intelligenz. Er trug eine braune Tüte mit der Aufschrift »McCambridge’s«. Offenbar deren Feinkostladen. Wie gesagt, Alt-Galway.
    Er stellte die Tüte ab, sagte:
    »Ich werde etwas trinken; wollen Sie mir Gesellschaft leisten …? Oder ziehen
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