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Ein cooler Typ aus der Hölle

Ein cooler Typ aus der Hölle

Titel: Ein cooler Typ aus der Hölle
Autoren: Stefan Wolf
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sie bei der Arbeit manchmal abnahm — um sie vor Beschädigung zu
schützen. Statt sie in die Tasche zu stecken, legte er sie dann irgendwohin.
    Bei Heindls hatte er sie noch
gehabt. Das wusste er genau. Auch bei Kornatzkis. Aber dann... Klar doch! Beim
letzten Kunden — bei diesem Bruno Wienerfeld — hatte er sie abgelegt und liegen
gelassen auf dem Terrassentisch.
    Hat’s Zeit bis morgen?
    Martin wendete und fuhr zurück.
    Seine Uhr, eine Nobelmarke, war
aus Stahl und Gold. Auf der Rückseite befand sich eine Gravur: In Memory of
your big friend Cayman — zur Erinnerung an deinen großen Freund Cayman.
    Eigentlich hätte das wie ein
glühender Reif am Handgelenk brennen müssen. Für Eingeweihte waren diese Worte
wie ein Schuldgeständnis — verräterisch und tödlich. Klüger wäre es gewesen,
die Uhr zu beseitigen. Aber Martin war schon immer etwas zu mutig gewesen, also
tollkühn. Er liebte den Kitzel der Gefahr wie eine Droge. Abgeseilt nach
Deutschland unter Falschnamen und anderer Identität hatte er sich erst, als die
Gefahr riesengroß wurde und niemand der Eingeweihten auf sein Überleben
gewettet hätte. Aber er lebte noch und er behielt die Uhr. Außerdem mochte er
sie. Auch der Wert spielte eine Rolle. Von sentimentaler Erinnerung war Martin
allerdings völlig frei.
    Es schneite. Der Wind orgelte.
Der Kombi rollte schon auf Winterreifen. Leere Straßen. Und endlich das
Stadtrandviertel, wo die Betuchten unter sich waren und Bruno Wienerfeld in
einer toller Villa lebte — allein, verschroben und bösartig wie ein angehender
Amokläufer.
    Martin fand ihn zum Kotzen und
wollte ihm morgen — zusammen mit der abschließenden Rechnung — die
Arbeits-Vereinbarung aufkündigen.
    Der Kombi hielt an der
mustergültig gestutzten Hecke. Martin stieg aus und ging zu dem weißen
Eisentor, das aus zwei Flügeln mit vielen Streben bestand. Vorhin hatte er
abgeschlossen, auch die Pforte daneben und beide Schlüssel in den Briefkasten —
eingelassen in einen marmor-verkleideten Steinpfeiler — geworfen.
    Martin flankte über die Pforte
und lief durch den parkartigen Garten hinter die Villa.
    Im Haus brannte überall Licht.
Wienerfeld liebte erleuchtete Räume.
    Auch über der Terrasse war eine
Laterne eingeschaltet.
    Auf dem Gartentisch — dem
letzten Möbel, das noch nicht im Schuppen stand — lag eine Schneeschicht.
Martin fand seine Uhr. Sie wurde mit dem Taschentuch getrocknet. Er legte sie
an.
    Hinter einem Kellerfenster,
abgedeckt von einem stählernen Gitter, flammte in diesem Moment Licht auf.
Martin konnte in einen Hobbyraum blicken, der sich nach hinten ausdehnte.
Ringsum an den Wänden war er mit Holzregalen ausgekleidet.
    Martin hatte den Raum noch nie
gesehen. Tagsüber waren immer buntbedruckte Vorhänge an den Fenstern zugezogen.
Aber jetzt hatte Wienerfeld offenbar gelüftet und an die Vorhänge nicht mehr
gedacht.
    Er stand an einem Tisch und
nahm ein grünes Glasgefäß aus einem kleinen Karton.
    Die Entfernung zu Martin betrug
keine drei Meter. Der Ire konnte das Etikett auf dem Gefäß deutlich sehen, sogar
die fetten Buchstaben lesen und das Warnsymbol erkennen, einen stilisierten
Totenkopf.
    Gift! Curaptozid! Martins
Herzschlag setzte aus.
    Curaptozid war so selten wie
ein Sandsturm am Nordpol, neutral im Geschmack und Geruch, und absolut tödlich.
    An Curaptozid war Duke
jämmerlich eingegangen. Das stand fest. Martin hatte eine Obduktion seines
Hundes veranlasst.
    Wienerfeld zog Gummihandschuhe
an, nahm das Gefäß und trat zu einem Ausguss an der Wand. Bewegungen, Hantieren
mit dem Rücken zum Fenster. Der Wasserhahn wurde aufgedreht, das Gefäß — nun
entleert — ausgespült. Dann schabte Wienerfeld mit einem Messer, dessen Klinge
zur Hälfte abgebrochen war, und entfernte das Etikett.
    Er kam zum Tisch zurück.
    Das Gefäß war jetzt sauber und
nichtssagend. Es hätte auch Vitaminpillen enthalten können oder milchsaures
Gemüse.
    Aber der Mann wollte offenbar
alle Spuren beseitigen, wickelte das Glas in ein altes Handtuch, holte einen
Hammer vom Regal und schlug auf das Bündel ein.
    Martin hörte die Schläge, hörte
das Splittern von Glas. Es wurde zerbröselt. Erst als sich unter dem Handtuch
keine Erhöhung mehr abzeichnete, hielt der Mann inne.
    Kleine Splitter und Glasstaub
wurden in einen Abfalleimer entleert.
    Während Wienerfeld all das tat,
blieb sein Gesicht maskenhaft unbewegt. Er spülte noch einmal am Ausguss nach,
löschte dann das Licht und verließ den
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