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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten
Autoren: Leo Malet
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er hat’s nicht geschafft,
ich weiß nicht warum. Dabei kann er so schlecht gar nicht sein. Er hat nämlich
bei einem Bekannten in der Autowerkstatt geholfen. Ganz hier in der Nähe, Porte
de la Plaine .“
    Ich blätterte in dem Heft. Wäre
etwas übertrieben zu sagen, ich könnte keine Schraube von einer Wäscheklammer
und kein Getriebe von einer Batterie unterscheiden. Aber viel fehlt nicht. Von
den Notizen und Skizzen konnte ich jedenfalls nicht auf Demessys Mechanikertalent schließen. Vielleicht war das ja für
die Nachforschungen nicht so wichtig. Wenn doch, dann konnte mir der Kerl von
der Autowerkstatt bestimmt Näheres über die Fähigkeiten seines
Aushilfsmechanikers sagen. Ich erkundigte mich nach dessen Namen.
    „ M’sieur Jannin “, sagte die Frau von Demessy .
    Ich notierte auch das und legte
Bücher samt Heft zurück in die Schublade.
    „Ist alles da?“ wollte ich noch
wissen.
    Die Frau zeigte auf ein Regal.
    „Da sind noch mehr Bücher.“
    Weitere Schulbücher standen
neben einem Liebesroman, zwei oder drei Kriminal- und mehreren Spionageromanen.
Routinemäßig blätterte ich sie durch, wedelte sie hin und her, um eventuelle
Papiere aus den Seiten rausfallen zu lassen. Vielleicht hätte draufgestanden:
„Bin da und da, komme dann und dann zurück“, oder: „Wärm die überbackenen
Kartoffeln auf, Fleisch ist im Kühlschrank.“ So wie im Kino oder in den
Büchern, die ich grade in der Hand hielt. Aber aus ihnen fiel kein Zettel. Nur
Staub. Eine wissenschaftliche Analyse hätte mir bestimmt nicht weitergeholfen.
Ich brach die Suche ab mit der Bemerkung:
    „Ich meinte vor allem seine
Kleider.“
    „Das ist alles, M’sieur .“
    „Und es fehlt nichts?“
    „Na ja, nur das natürlich, was
er anhatte, als er wegging. Eine graue Jacke, einen grauen Pullover, eine
Cordhose und einen Regenmantel.“
    „Fällt sein Verschwinden mit
dem Zahltag zusammen?“
    „Nein, der war die Woche
vorher.“
    Dann hatte man ihn also nicht
überfallen und in die Seine geschmissen, um an seine Brieftasche zu kommen.
Vielleicht war er in eine Prügelei mit Besoffenen geraten.
    „Hat er getrunken?“ fragte ich.
„Ich meine, soviel, daß er betrunken war?“
    „In letzter Zeit, ja, etwas...“
    „Zu Hause oder in Kneipen?“
    „In Kneipen.“
    „In welchen?“
    „Weiß ich nicht
    Sie seufzte wieder, die Hände
auf dem Bauch gefaltet:
    „Das Kind... Deswegen hat er
getrunken. Seit ich schwanger bin, ist er nicht mehr derselbe... Das hat ihn
völlig umgehaun .“
    „Haben Sie nicht... äh... Haben
Sie nicht versucht, es abtreiben zu lassen?“
    „Daran hab ich nicht gedacht“,
antwortete sie. Es war nicht rauszuhören, ob sie’s bedauerte oder ablehnte.
    „Und er?“
    „Er hat sich nie geäußert.“
    Aber gedacht hatte er daran.
Ich wußte es.
    Wir gingen ins Eßzimmer zurück. Sie setzte sich wieder. Ich blieb stehen
und sagte:
    „Also gut, ich werd sehen, was ich tun kann... äh... Verstehen Sie mich
nicht falsch, aber Sie befinden sich in einer... äh... schwierigen Lage.
Deswegen will ich kein Honorar. Im Gegenteil. Wenn Sie etwas brauchen...“
    „Aber ich brauche nichts“,
erwiderte sie. „Er hat mich nicht ohne einen Sou zurückgelassen. Hat sogar noch
ein paar Scheine in unsere kleine Kasse gelegt, als er den letzten Tag hier
war.“
    „Ach!“
    „Ja. Das hab ich beim
Kassensturz gemerkt.“
    „Sehen Sie, so schlecht ist er
doch nicht!“
    „Ich weiß es nicht. Mir
schwirrt der Kopf. Übrigens, mit dem Geld... Vielleicht hab ich Sie deshalb
gefragt, ob das eine ehrliche Arbeit war, die Sie ihm damals besorgt haben.
Meine Schwangerschaft hat ihn umgehaun , wie gesagt;
und wenn er schon mal auf der schiefen Bahn war, könnte er vielleicht... Na ja,
vor etwa einem oder zwei Monaten, ja, vor sechs Wochen kam er mit etwas mehr
Geld als üblich nach Hause. Mindestens zwanzigtausend mehr. Er hat mir nichts
gesagt, aber... na ja, ich hab’s gemerkt.“
    „Und er? Hat er gemerkt, daß
Sie’s gemerkt hatten?“
    „Ja. Ich hab ihn gefragt, woher
das Geld kam.“
    „Und?“
    „Er hat gelacht und gesagt, er
müsse an die Zukunft denken. Er habe das Geld geliehen.“
    „Was Sie nicht geglaubt haben.
Sie dachten, er hätte es geklaut...“
    „Er hat sich so verändert, seit
ich schwanger bin. Möglich ist alles.“
    „Ach, und deswegen haben Sie
die Flics nicht benachrichtigt…“
    „Ja. Ich will nicht, daß er
Ärger kriegt. Ich will mich nicht rächen. Ich will nur, daß er mich
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