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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten
Autoren: Leo Malet
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.
    Meine Sekretärin Hélène muß
sich doch wohl häufiger in Bistros rumtreiben, als sie zugibt. Von ihr wußte
ich nämlich, daß Rivalet jetzt an eben dieser
Kreuzung Inhaber eines schicken Café-Restaurants war. Wir kannten ihn aus der
Zeit, als er noch ein einfaches Bistro hatte, direkt gegenüber meinem Büro. Da
ich gerade in der Gegend war, wollte ich kurz bei ihm reinsehen. Konnte nicht
schaden. Außerdem hatte ich Hunger. Und den konnte ich bei ihm stillen. Ein
prima Kerl, dieser Rivalet . Leider sah ich ihn kaum
in der letzten Zeit.
    Ich parkte in der Rue
Alain-Chartier, gleich hinter dem Kino Gaumont . Rund
um den Eingang zur Metro standen die üblichen Buden, wie überall in Paris vor
den Festtagen. Allerdings wurden sie heute nicht belagert. Der Regen hatte sich
in eine Art Schneeregen verwandelt. Sehr ungemütlich. Die Benutzer der Metro
würdigten die Lotterie- und Schießbuden keines Blickes. Nur die Tauben schienen
sich dafür zu interessieren. Vor allem die Gewehre auf den Theken hatten es
ihnen angetan. Sah aus, als machten sie sich über die Schießprügel lustig. Die
Gefräßigsten unter ihnen zankten sich um die Brotkrümel, die eine alte Dame
ihnen hinwarf. Manchmal startete eine der Tauben einen Flugversuch, von einem
Auto hochgeschreckt. Oder um nicht aus der Übung zu kommen. Der Versuch endete
dann auf dem Vordach des Kinos, wo schon die Kollegen saßen. Unter ihnen
prangte das grelle Plakat des aktuellen Films. Eine lachende Schönheit war
darauf zu sehen, mit aus- und eindrucksvollen Brüsten. Aber die dummen Vögel
ließen sich wenig davon beeindrucken. Die verdächtigen Spuren auf dem Plakat
zeugten nicht mal von Respekt für die transalpine Schönheit.
    Das Café-Restaurant des ehemaligen Bistromanen hieß ganz konventionell A la Convention . Von kühner Phantasie konnte hier keine Rede
sein. Ich trat in die angenehme Wärme, in den Duft von Tabak und Kaffee. An der
Theke saßen drei Gäste vor ihren Getränken und quatschten. Einer bemerkte
gerade, der Schuß habe nicht viel Aufsehen erregen können, direkt neben den
Schießbuden... Der zweite fügte hinzu, ja, genauso sei’s gewesen. Und der
dritte fragte den Barkeeper, ob der Mann tot sei. Ja, antwortete dieser ohne
besondere Anteilnahme. Im übrigen waren sich alle vier über das Sauwetter einig. Keiner von ihnen ähnelte Rivalet . Der junge Mann hinter der Theke sortierte
Geldstücke der Größe nach in die halbrunden Fächer der Kasse. Er erinnerte mich
an nichts und niemanden. Rivalet hatte zwar einen
Sohn, aber der hier war’s nicht. Ich ließ ihn sortieren und die Gäste quatschen
und ging in den gemütlichen Eßsaal . Ein paar
unauffällige Paare aßen schweigend. Ich setzte mich ans Fenster, von dort aus
konnte ich die Straße überblicken. Das heißt, zunächst sah ich auf den Rücken
des Austernhändlers, der sich über seine Körbe beugte. Ich bestellte ein
Beefsteak. Es wurde gebracht, und kauend dachte ich an Demessy .
    Um ehrlich zu sein, der Kerl
enttäuschte mich etwas. Hätte ihn für anständiger gehalten. Früher war er’s
gewesen. Vor allem hätte ich ihm nicht zugetraut, daß er seine Lebensgefährtin
schwängert und sich dann davonmacht. So was kotzt mich an. Und das wollte ich
ihm auch sagen. Aber dafür mußte ich ihn erst mal finden.
    Vor rund zwei Monaten hatte er
mich aufgesucht. So um den 15. Oktober. In meinem Büro. Im Zimmer nebenan
klapperte Hélène auf der Schreibmaschine.
    „Ich brauch wieder mal Ihre
Hilfe, Burma“, hatte er mit einem verlegenen Ausverkaufslächeln begonnen. „Ein
Gefallen, wie immer. Wirklich, wenn Sie nicht wären... Wüßte nicht, was ich
machen sollte.“
    Eine Minute vorher hatte ich
ihn dabei ertappt, wie er meine Sekretärin gierig angestiert hatte. Ich fragte
mich, ob er sie sich vielleicht ausleihen wollte. Für ‘ne Woche oder so. Aber
darum ging’s nicht. Nachdem er sich gesetzt hatte, fuhr er fort:
    „Sie haben mich aus der Gosse
geholt. Und damit es nicht wieder bergab ging, haben Sie mir Arbeit verschafft.
Seitdem führ ich ein einigermaßen normales Leben. Hab eine Frau... Sicher, kein Pin-up-girl ...“
    Er schielte zu der Wand, die
uns von Hélène trennte. Seine Ohren lauschten aufmerksam dem Klappern der Underwood. „Na ja...“
    Er schüttelte sich.
    „Inzwischen hab ich mehrere Stellen
gehabt. Es geht ganz gut.“
    Ich unterbrach ihn:
    „Wenn man so sieht, wie Sie um
den heißen Brei herumreden, sollte man’s gar nicht glauben, mein Lieber.
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