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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten
Autoren: Leo Malet
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Und
Sie reden soviel über Ihre Arbeit... Läuft da was
schief? Arbeitslos?“
    „Nein, nein, alles in Ordnung.
Aber meine Frau... Sie wissen ja, Hortense...“
    Er rutschte auf seinem Stuhl
hin und her.
    „Hab sie Ihnen mal vorgestellt,
als wir uns zufällig getroffen haben, auf dem Flohmarkt an der Porte de Vanves .“ Wieder hielt er sich mit überflüssigen
Einzelheiten auf, um den Moment hinauszuzögern, in dem er die Karten auf den
Tisch legen mußte.
    „Ich weiß. Ist was mit ihr?“
    „Ja. So was kommt in den besten
Familien vor... und in weniger besseren, wie bei uns.“
    Endlich kam er zur Sache.
    „Ich hab kein Geld, um auch
noch ein Kind durchzufüttern, Burma.“
    „Ach, das ist alles?“
    Er seufzte:
    „Mir reicht’s. Ich bin zu Ihnen
gekommen... Hab mir gedacht, einer wie Sie... mit Ihnen kann ich offen reden...
Also, Sie müßten doch so Leute kennen, hm?“
    Ich antwortete nicht sofort. Er
rieb sich nervös die Hände. „Verdammt, Burma! Ich habe lange gewartet, zu
lange. Jetzt ist es vielleicht schon zu spät. Hortense hab ich noch gar nichts
gesagt, weil... ich finde das ganz schön beschissen .
Aber es geht nicht anders. Dann gibt’s wenigstens einen weniger, der Hunger
hat. Laufen schon genug rum von der Sorte, die sich kaum am Kacken halten
können, oder?“
    Während er so weiterjammerte,
dachte ich nach. Schließlich sagte ich:
    „Ich kenne tatsächlich
jemanden. Aber absolut korrekt, ja?“
    „Aber hören Sie mal, Burma!“
entrüstete er sich. „Ein Arzt?“
    „Nein. Eine zuverlässige,
diskrete Frau. Hat immer saubere Arbeit geleistet.“
    „Wird das... Wird das teuer?“
    „Ich kenne die Tarife nicht,
aber umsonst ist es nicht. Früher gab es noch Idealisten, aber heutzutage
herrscht Mangel an Idealen. Und für Gotteslohn tut keiner mehr was. Nur noch
für das gottverdammte Geld.“
    „Na ja, werd’s schon auftreiben. Hoffentlich kostet’s kein
Vermögen.“
    „Glaub ich nicht.“
    Ich schrieb einen Namen und
eine Adresse auf ein völlig neutrales Stück Papier, dazu malte ich etwas in
eine Ecke.
    „Sagen Sie, sie kämen wegen der
Zukunft Ihrer Familie. Das ist die Losung. Die gute Frau kennt sich mit der
Zukunft aus.“
    „Vielen Dank, Burma. Tausend
Dank. Ich weiß nicht, wie...“
    „Ja, ja, schon gut.“
    Ich sah eine Patenschaft auf
mich zukommen, falls es nicht klappen würde. Demessy dankte mir noch weitere tausend Male. Dann machte er sich erleichtert aus dem
Staub.
    Das war jetzt zwei Monate her.
Inzwischen...
    Nach dem, was ich in der Rue de
la Saïda erfahren hatte, mußte er wohl zu der
angegebenen Adresse gegangen sein und Preis, Termin und alles übrige vereinbart haben. Sogar das Geld hatte er sich wohl
beschafft. Aber aus irgendeinem Grund war sein Vorhaben dann doch noch
gescheitert, von dem Hortense gar nichts wußte. Ein komischer Vogel, dieser Demessy . Ich betrachtete sein Verhalten als persönliche
Beleidigung. ,Ich habe lange gewartet... Finde das
ganz schön beschissen...“ Der scheinheilige Kerl! Im letzten Moment aus dem
Quark kommen, Angst haben vor möglichen Komplikationen und dann mit dem
geliehenen Geld abhaun und die arme Frau in der
Scheiße sitzenlassen: war das vielleicht moralisch einwandfrei und nicht
beschissen, hm? Sicher, er hatte ein paar Scheine in die gemeinsame Kasse
gelegt. Ein kleines Abschiedsgeschenk, gerade genug, um die Milch für die
ersten Fläschchen zu bezahlen. Wenn er meinte, die Sache wär damit erledigt,
hatte er sich gründlich getäuscht.
    Ich hatte zu Ende gegessen.
Inzwischen waren die anderen Gäste gegangen. Ich zündete mir eine Pfeife an,
bestellte einen Kaffee und verlangte die Rechnung. Ich bezahlte mit dem
Fünftausender, den mir die werdende Mutter gegeben hatte. Der Kellner ging
damit zur Kasse. Ich sah ihm nach, in Gedanken versunken. Der Junge an der
Kasse griff gierig nach dem Schein und begutachtete ihn, als hätte er sonst was
in der Hand. Plötzlich holte er ein Notizbuch aus seiner Tasche, klappte es
auf, sah hinein, starrte wieder meine fünf Riesen an für den Fall, daß ihm beim
ersten Durchgang irgendeine Kleinigkeit entgangen war.
    Der Kellner vor ihm wartete
sichtlich ungeduldig auf das Wechselgeld. Sein schwarzer Schuh klopfte nervös
auf den Sägemehlboden.
    Endlich entschloß sich der
Erbsenzähler. Legte den Schein zu den anderen in die Schublade und mein
Wechselgeld auf eine Untertasse.
    Der Kellner kam zu mir zurück.
Ich ließ genug Trinkgeld liegen, um mir ein Anrecht auf
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