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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten
Autoren: Leo Malet
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leicht
und gut bezahlt. Cash. Sehr wichtig, um wieder auf die Beine zu kommen.
Mit Almosen kann man keinen von den Brücken weglocken. Wer das meint, hat noch
keine Not kennengelernt. Die richtige Not, ganz unten. Durch die Arbeit konnte Demessy ein Zimmer bezahlen und sich ordentliche Klamotten
kaufen, mit denen er sich in jedem Personalbüro sehenlassen konnte. Und er
wollte tatsächlich feste Arbeit finden, um sich endgültig auf den Beinen zu
halten. Auch dabei hab ich ihm geholfen, eben weil er’s verdiente. Hab meine
Beziehungen spielen lassen. Aber wie gesagt, das sind alte Geschichten. Kehren
wir wieder in die Gegenwart zurück. Demessy hat Sie
sitzenlassen, und ich soll ihn wieder zurückholen, hm? Ist es so?“
    „Ja.“
    „Gut, ich hole ihn wieder
zurück.“
    „Vielen Dank, M’sieur “, sagte sie, als hätte ich ihn schon in der Tasche.
    „Er arbeitet, nicht wahr?“
    „Arbeitete“, korrigierte sie
mich. „Ich hab mich an Sie gewandt, weil ich keinen anderen Ausweg mehr wußte.
Zuerst hab ich selbst... äh... Nachforschungen angestellt. So nennt man das
doch, oder?“
    „Ja, so nennt man das.“
    „Sehen Sie, Dienstag fing’s an...“
    Sie nahm zur Sicherheit die
Finger zur Hilfe.
    „Montag ist er zur Arbeit
gegangen... Er war bei Citroën, im Walzwerk. Quai de Javel ...
Nach der Arbeit ist er nach Hause gekommen, wie üblich. Aber am Dienstag ist er
morgens weggegangen und nicht mehr wiedergekommen. Als er am Mittwoch immer
noch nicht wieder da war, bin ich zur Fabrik gegangen. Dort hatten sie ihn auch
nicht gesehen. Hat mich nicht sehr überrascht. Wenn man jemanden verlassen
will, wird man sich nicht an einem Ort aufhalten, den der andere kennt, oder?“
    „Hat er seinen Restlohn verlangt?“
    „Nein.“
    „Waren Sie noch einmal bei
Citroën?“
    „Gestern, ja.“
    „Resultat?“
    „Keine Spur von ihm. Da hab ich
Sie angerufen.“
    „Und die Flics ?“
    „Die Flics ?“
    „ Fiaben Sie die benachrichtigt?“
    „Nein“, sagte sie verlegen.
    Ich ging nicht weiter darauf
ein.
    „Haben Sie seine
Arbeitskollegen gefragt?“
    „Nein. Ich hatte beschlossen,
mich an Sie zu wenden. Ich dachte, Sie könnten das besser als ich.“
    „Stimmt.“
    „Und außerdem schämte ich mich.
Und Angst hatte ich auch. Da sind so viele Araber.“
    „Könnten Sie mir einen oder
zwei Namen nennen?“
    „Von den Arabern?“
    „Von seinen Bekannten.“
    „Na ja. Da ist einmal Monsieur Froment . Arbeitet auch bei Citroën. Wohnt im Haus nebenan,
unterm Dach. Ich hab ihn gefragt, ob er was wüßte. Als Nachbarn kennen wir uns
ja ein wenig. Mit ihm konnte ich leichter darüber sprechen als mit anderen.
Aber er weiß nichts.“
    „Und seine anderen Kollegen
vom... vom Fließband?“
    „Die kenne ich nicht mit
Namen.“
    „Macht nichts. Werd mich schon durchfragen.“
    „Sein Vorarbeiter heißt Rieussec , wenn Ihnen das was nützt...“
    Ich notierte mir die dürftigen
Informationen: Name des Nachbarn, Name des Vorarbeiters, Telefonnummer des
Walzwerkes. Dann fragte ich:
    „Könnte ich einen Blick auf
seine Sachen werfen? Falls er sie nicht mitgenommen hat...“
    Falls er sie mitgenommen hatte,
wollte er Hortense samt Gör sitzenlassen. Zwar nicht schön, aber besser, als
wenn er sie nicht mitgenommen hatte. Für seine Gesundheit, meine ich. Denn dann
war ihm was Unerfreuliches zugestoßen. Allerdings konnte ich mir nicht so recht
vorstellen, was einem Arbeiter zustoßen sollte. Denn finanziell steht so einer
nackter da als etwa ein reicher Erbe. Obwohl... Mancher Rumtreiber hat schon
für weniger als tausend Francs den Galgen riskiert.
    „Kommen Sie“, sagte die Frau.
„Wir haben unsere Sachen im Schlafzimmer. Viel ist es ja nicht...“
    Also auf ins Schlafzimmer!
    Ich wühlte in den Taschen
seiner Jacke und seiner Hose (beides Kandidaten für den Müll) und in den
Taschen seines geflickten Overalls. Alles für die Katz. Dann inspizierte ich
den Nachttisch, rustikal mit Fach für den Pinkelpott .
In der Schublade fand ich ein schmutziges Taschentuch, ein Röhrchen Aspirin,
ein Thermometer im Etui, einen Kugelschreiber, zwei zerlesene Bücher und ein
Schulheft. Die zwei Bücher handelten von Mechanik. Die Notizen und Zeichnungen
in dem Heft hatten ebenfalls was damit zu tun.
    „Ist er Hilfsarbeiter oder
Mechaniker?“ fragte ich.
    „Hilfsarbeiter. Aber seit etwa
einem Jahr hat er angefangen, sich für Mechanik zu interessieren. Hilfsarbeiter
zu sein, hatte er satt. Er wollte weiterkommen. Aber
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