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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser
Autoren: Cate Tiernan
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er ihr Auto mit Magie auf den Bürgersteig gelenkt hatte. Genau in dem Moment, als mein Dad auf den Wagen prallte, hatte er in die Hände geklatscht. Ich hatte ihn die Fäuste ballen sehen, als er dem Leben meines Vaters aus Hunderten von Kilometern Entfernung ein Ende setzte.
    Und jetzt wollte ich ihn umbringen.
    Nur war das aufgrund seiner Unsterblichkeit ja leider unmöglich. Aber vielleicht gab es doch irgendeinen Weg, mit dem ich zumindest versuchen konnte, ihn zu töten. Durchziehen würde ich das Ganze ja sowieso nie, trotz allem, was er getan hatte. Ich war eben keine Mörderin, so wie er.
    Doch ich hatte vor, ihn zu zerstören. Noch immer wusste ich kaum etwas über die Bonne Magie, die traditionelle Religion meiner Familie, wusste jedoch, dass alles, was man in die Welt aussandte, dreimal so stark wieder zu einem zurückkehrte. Wenn die Tatsache, dass ich Daedalus zerstört hatte, mit dreifacher Heftigkeit auf mich zurückfiel, wäre es mir das wert – den Tod meines Vaters zu rächen, und mein Leben, das für Daedalus’ dunkle Absichten zerrüttet worden war.
    Nach dem Ritus, als es uns ein wenig besser ging und wir wieder zusammenhängender denken konnten, hatte ich Clio von meiner Vision erzählt. Clio hatte Dad nie gekannt, doch er war auch ihr Vater. Ich war mir sicher, sie würde genauso empfinden wie ich. Und tatsächlich war auch sie wütend auf Daedalus, aber natürlich war es schwer für sie, um etwas zu trauern, das sie nie gehabt hatte.
    Ich hatte keine Ahnung, welchen Zauber sie in jener Nacht in den magischen Tornado geworfen hatte. Jeder Anwesende hatte seine eigenen Pläne vorangetrieben. Clio hatte mir gesagt, sie habe sich selbst gesehen. Ertrunken. Tot. Ihre Haut bleich, blutleer, die Augen glasig und starr in den schwarzen Himmel voller Gewitterwolken gerichtet. Seitdem verfolgte sie das Bild.
    Sie stand auf, schürte die glühenden Kohlen, an deren Rändern sich feine weiße Asche gebildet hatte, und breitete sie in dem Kessel aus. Mit der Hand schätzte sie die Temperatur ab und setzte dann den Grillrost obendrauf. Wir hatten ein Steak mariniert. Als wir es auf den Rost fallen ließen, zischte Rauch auf.
    Petra, die Clio ihr Leben lang für ihre Großmutter gehalten hatte, hatte der Ritus schwer erwischt. Seit jener Nacht hatte sie ihr Bett kaum verlassen, und wir fanden es beide erschreckend, wie gebrechlich sie auf einmal aussah. Außer den Heilzaubern, die unsere Freundin Melysa für sie anwandte, würde ihr vielleicht auch ein frisch gegrilltes Steaks neue Kraft verleihen.
    » Ich werde es tun«, sagte Clio. Noch immer hatte sie mir den Rücken zugewandt. Wut entfaltete sich wie eine scharlachrote Nelke in meiner Brust.
    Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch da wandte sich Clio schon zu mir um.
    » Ich will nicht sterben«, sagte sie zum hundertsten Mal. » Ich habe mich als Tote gesehen. Jetzt, als Tote, in meinem Alter, nicht etwa später, als Erwachsene.«
    » Aber du weißt doch gar nicht, was das genau bedeutet«, erwiderte ich vorsichtig und versuchte, meine Wut im Zaum zu halten.
    » Doch, das weiß ich!«, fuhr sie mich an, und ihre grünen Augen funkelten in der heraufziehenden Dunkelheit. Das Muttermal auf ihrer linken Wange, das mit dem auf meiner rechten identisch war, schien heller zu leuchten als sonst, hell wie ein Blutfleck. » In meiner Vision war ich tot, und das war kein Traum, es war real. Genau das wird bald passieren. Aber ich habe nicht vor, zu sterben. Nicht jetzt. Und wieso bist du überhaupt so sicher, dass deine Vision stimmt und meine nicht? Du bist doch nicht mal eine Hexe!«
    Ich zuckte zurück, als hätte sie mir eine Ohrfeige verpasst. Clio war mit Nan und deren Zirkel als Hexe aufgewachsen, und ich hatte erst vor ein paar Monaten erfahren, dass es so etwas wie Magie überhaupt gab. Noch hatte keine von uns den Aufstiegsritus, der uns in der Bonne Magie zu vollwertigen Mitgliedern eines Zirkels machen würde, absolviert. Aber bei meiner Unwissenheit war ich, verglichen mit Clio, nichts als ein dummes kleines Kind. Und dennoch gab es keinen Zweifel, auch ich war eine Hexe, genau wie jede andere Frau meiner Familie seit Hunderten von Jahren. Und es gab keinen Zweifel, dass ich diesen Weg, den ich eingeschlagen hatte, weitergehen würde, bis zum Ende meines Lebens.
    Clios Lippen hatten sich zu einem ärgerlichen, harten Strich verzogen, und ich wusste, dass sie ihren letzten Satz schon bereute.
    » Ich meine ja nur«, fuhr sie angespannt
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