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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser
Autoren: Cate Tiernan
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fort, » dass du zu denken scheinst, deine Vision sei realer als meine.«
    Genau so war es.
    » Nein, das stimmt nicht«, widersprach ich. Aber, ganz ehrlich, ich hatte etwas gesehen, was tatsächlich passiert war, und sie hatte allenfalls eine Vorahnung gehabt. Und wer wusste schon, ob sie je wahr werden würde? » Ich begreife einfach nicht, wie du den Gedanken ertragen kannst, bei jemandem zu studieren, der unseren Vater umgebracht hat.«
    Genau das war die Krux an der Sache: Clio hatte sich selbst als Tote gesehen und das hatte sie über alle Maßen erschreckt. Und nun war sie gewillt, sich mit dem Mörder meines Vaters zu verbünden, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen – einem Tod, der ja gar nicht sicher war.
    » Daedalus kennt den Ritus und die Magie dahinter besser als jeder andere von ihnen.« Clio stieß eine Gabel in das Steak, um es zu wenden. Blut tropfte auf die glühenden Kohlen. » Er kann mir alles beibringen, was ich wissen muss, um zu gewährleisten, dass der Ritus das nächste Mal funktioniert.«
    » Dann wirst du also unsterblich werden«, sagte ich tonlos. Clio zuckte die Schultern.
    Genau das war es: Clio wollte unsterblich sein, und ich wollte den Mann zerstören, der meinem alten Leben so kaltherzig ein Ende gesetzt hatte, dem meines Vaters so kaltherzig ein Ende gesetzt hatte. Mein Dad war einundvierzig Jahre alt gewesen! Und Daedalus war ungefähr 300. Wer hätte es wohl mehr verdient, weiterzuleben?
    » Ich weiß, dass du nicht sterben willst«, sagte ich und richtete mich neben ihr auf. » Ich will auch nicht, dass du stirbst. Ich will selber nicht sterben. Aber deswegen musst du noch lange nicht bei Daedalus lernen.«
    » Aber er hat das größte Wissen, und er ist derjenige, der das alles überhaupt erst auf die Beine gestellt hat«, entgegnete sie stur.
    Wie konnte sie nur so dumm sein? Und Dad und mir gegenüber so illoyal? » Wage es ja nicht, bei ihm zu lernen!«, schrie ich frustriert. Wütend fuhr Clio zu mir herum. Sie wollte gerade zurückschnauzen, als sie plötzlich erstarrte, als würde sie etwas hören.
    » Luc«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. Ihr Blick glitt über die frisch gestrichene Rückseite unseres Hauses. » Luc und … Richard.«
    » Hier?«
    » Ja.« Clio nahm meine Hand, doch nur, um auf meine Uhr zu schauen. Sie wandte sich ab, stach erneut die Gabel in das Steak und ließ es auf den Teller rutschen. Dann lief sie die Stufen nach oben und ließ mich noch einmal wissen, dass diese sinnlose Diskussion ein für alle Mal beendet war.
    Am liebsten hätte ich dem Kessel einen Hieb versetzt, aber ich wusste, dass ich mich dabei nur verbrennen würde. Und nun musste ich auch noch da reingehen und Luc und Richard entgegentreten. Für nichts davon hatte ich die Energie.
    Ich konnte nicht glauben, dass Clio ihre Meinung nicht änderte.
    Was bedeutete, dass ich ihr nichts von meinem Plan, Daedalus zu zerstören, erzählen konnte.

Kapitel 2
    Clio
    Thais machte mich wirklich wütend. Natürlich fand ich es schlimm, dass unser Dad tot war, dass ich ihn nie kennenlernen würde und er mich nicht. Wenn Daedalus wirklich für seinen Tod verantwortlich war, würde ich dafür sorgen, dass er dafür bezahlte. Irgendwann.
    Aber in der Zwischenzeit konnte ich selbst sterben, und zwar jeden Moment! In meiner Vision hatte ich genauso ausgesehen wie jetzt, nicht mal ein Jahr älter. Ich, eine Tote, ertrunken, aschfahl, fast identisch mit meiner Vorfahrin Cerise zum Zeitpunkt ihres Todes.
    Cerise. Meine Kiefermuskeln spannten sich an, als ich den Teller mit dem Steak auf den Küchentisch stellte. Ich hörte, wie Nan im Wohnzimmer mit Luc und Richard sprach. Na super. Genau die zwei Menschen, die ich jetzt unbedingt sehen musste, und dann auch noch mit Thais zusammen. Luc, den Mann, den wir beide geliebt hatten und, wie ich glaubte, immer noch liebten. Und dann Richard, ein weiteres Mitglied der Treize und Lucs Mitbewohner. Jemand, der das Gleiche in mir auslöste wie Benzin, das man ins Feuer kippte. Jemand, der versucht hatte, mich und Thais zu töten. Und danach mit mir rumgemacht hatte.
    Ich runzelte die Stirn und versuchte, mich zusammenzureißen, als Thais auch schon ins Haus trat. Unser kleiner Holztisch war zum Abendessen für drei gedeckt. Eistee war eingeschenkt, die Ofenkartoffeln waren fertig und ein Sautée aus Okraschoten stand in der Mitte des Tisches.
    » Kommt doch rein«, hörte ich Nan sagen und spürte, wie die Schritte der beiden die Dielenbretter zum Vibrieren
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