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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Autoren: Jana Seidel
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deiner kleinen Schwester geliehen, Chérie?«, will Picard von Diana wissen.
    Diana schmollt. Sie trägt ein sauteures, sehr angesagtes Babydoll in der Trendfarbe Lila. Selber schuld, denke ich, wenn man ein Kleidungsstück mit einem solchen Namen zu seinem Lieblingsteil erklärt. Und dann kombiniert sie es noch – wie alle dünnen, großen Frauen – mit Röhrenjeans in flachen Reiterstiefeln. Ein Outfit, das ich langsam nicht mehr sehen kann.
    Dann wendet sich PaPi an mich. »Ich habe Ihren Artikel in Aspekte gelesen«, sagt er.
    Das wird ja immer besser. Nach so einer Einleitung kann ja eigentlich nur ein Lob folgen. Noch bevor ich verlegen erröten kann, schiebt er hinterher: »Das Thema hätte ich auch gerne gehabt.«

    Das klingt schon eher bedrohlich. PaPi ist beleidigt, weil die hier ausgebildeten Freien als Privateigentum des Hamburger Morgen angesehen werden.
    Mir ist vollkommen bewusst, dass »Freie« der nettere Ausdruck für »ganz und gar unfrei und total den Launen der Vorgesetzten ausgeliefert« ist. Bis ein Festangestellter gefeuert wird, muss er schon Schokolade aus der Schublade des Chefredakteurs klauen. Aber als Freier einfach keine Aufträge mehr abzubekommen, das geht ganz schnell.
    Mit dem Text, von dem er spricht, glaube ich allerdings tatsächlich den ganz großen Coup gelandet zu haben. Ich habe den ewigen Konflikt zwischen Geistes- und Naturwissenschaften in 300 Zeilen gelöst und hoffe mit diesem Beitrag die Diskussion fürs nächste Sommerloch zu schüren. Man wird mich in Talkshows einladen und mir gratulieren. Aber dafür musste ich den Text natürlich bei einem renommierten, überregionalen Blatt unterbringen.
    Verflixt. Ich hätte gar nicht gedacht, dass PaPi oder überhaupt irgendjemand in diesem Haus besagte Zeitung lesen würden. Ich schaffe es morgens kaum unser Heimatblatt durchzulesen, selbst wenn ich Sport und Politik komplett überblättere. Schon macht sich wieder Angst in mir breit. Die nächsten Wochen werde ich bei Aufträgen bestimmt übergangen. Ich werde wieder so leben müssen wie im Studium, als man sich lange nicht sicher war, ob man nun eigentlich zur Elite oder zur Unterschicht gehörte. Die Tatsache, dass man in den Seminaren nicht viel mehr tat, als über das Sexualverhalten des Barock-Menschen Gedanken zu diskutieren, dafür während der restlichen Zeit zu viel Aldi-Erdbeersekt trank und Discounterpizza Margerita aß, sprach
eigentlich für Unterschicht. Das Einzige, was einen durchhalten ließ, war die Aussicht auf den sofortigen Aufstieg in den H&M -freien Elite-Himmel nach Abschluss der Quälerei. Dummerweise war da plötzlich das Zeitalter der Festanstellungen vorbei. Und wenn man sich nun tatsächlich gelegentlich ein Paar Prada -Schuhe leisten kann, dann nur zum Preis der Angst, schon bald wieder in den Höllenschlund der Armut zu stürzen. Hugo-Boss -Kleid ade, das werde ich mir nicht einmal mehr aus zweiter Hand leisten können.
    Â»Ach«, sage ich schwach, »ich hätte gedacht, das Thema wäre Ihnen zu langweilig. Aber dafür habe ich für Sie einen viel besseren Beitrag aufbewahrt.« Ich strahle ihn an und komme mir dabei würdelos vor. Ich bin keinen Deut besser als die verlogene Schlange Diana. »Es geht um Rafael Bleibtreu.«
    Â»Tut mir leid, Juli, zu der Lesung gehe ich schon«, fährt Diana dazwischen.
    Â»Die will ich dir auch gar nicht wegnehmen. Aber ich würde gerne vorab ein exklusives Interview mit dem Autor führen.«
    Â»Hm …«, macht Picard. »Das kommt mir jetzt aber nicht sonderlich aufregend vor.«
    Â»Ãœber die Wechselwirkung von Literatur und Finanzkrise«, schiebe ich schnell hinterher, weil ich weiß, dass er total auf Verknüpfungen von Kultur und Politik abfährt. Und warum auch nicht? Irgendwie ist Kunst doch immer politisch oder sollte es zumindest sein. Sonst würden doch nicht so viele abgehalfterte Rockstars in Talkshows sitzen. »Ich denke mir ja immer, die da oben sollten mal versuchen einen Tag mit dem Geld auszukommen, von dem ein Arbeitsloser
in diesem Land leben muss«, sagt der Star dann. Donnernder Applaus dafür im Publikum. Ich frage mich allerdings oft, warum so ein Star denkt, er könne wirklich einer von uns sein, und ob er selbst denn so viel weniger verdient als »die da oben«.
    Â»Keine schlechte Idee«, sagt der
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