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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Autoren: Jana Seidel
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Ich gehe sofort hinein. Es gibt diese großen Momente im Leben, in denen man nicht zögerlich sein darf, sonst sind sie vorbei, und man wird sich immer fragen, was wohl geworden wäre, wenn. Gleich beim Reinkommen sehe ich die Bücherstapel, auf denen sein Name zu lesen ist. Ich schnappe mir drei Romane und trage sie zur Kasse.
    Â»Und zwei Karten für die Lesung«, sage ich bestimmt zu der Kassiererin. Irgendjemand von meinen Freunden wird mich schon begleiten. Ein bisschen moralischer Beistand kann bei einem solchen Ereignis sicher nicht schaden.
    Die junge, zarte Dunkelhaarige ist vielleicht Anfang zwanzig. Seit wann ist die ernsthaft arbeitende Bevölkerung jünger als ich? Bald ist es so weit, dass selbst Ärzte und Anwälte in meinen trüben Augen keine Autoritätspersonen mehr sind, sondern ich sie mit zittriger Stimme »junger Mann« nenne.
    Â»Er ist so toll, oder?«, fragt mich das Mädchen mit verbrüderndem Lächeln, als sie die Karten und Bücher über den Tresen schiebt.
    Prompt spüre ich einen Stich der Eifersucht. Wenn er womöglich mehreren Frauen das Gefühl vermittelt, für sie bestimmt zu sein, wie kann ich mir dann sicher sein, dass die anderen sich irren und ich mich nicht?
    Â»Ein bisschen zu alt für Sie vielleicht«, sage ich mit damenhaft nachsichtigem Lächeln, als würde mich das alles gar nichts angehen.
    Â»Ach, ich habe gelesen, dass er gerade erst vierzig geworden
ist. Das geht ja noch.« Sie zwinkert mir tatsächlich zu.
    Ich schnappe die Tüte und verlasse den Laden.

    I m Kulturressort sitzt noch kein Mensch. Großartig, dann kann ich jetzt in Ruhe ein paar Texte tippen und habe nachher mehr Zeit zu quatschen. Eigentlich könnte ich als Freiberuflerin zuhause arbeiten, nutze diese Freiheit aber nur, wenn ich Texte für andere Abnehmer schreibe. Ich kann mich in der Arbeitsatmosphäre einfach besser konzentrieren. Man fühlt sich auch nicht so einsam, wie wenn man den ganzen Tag allein vor dem heimischen Rechner sitzt und sich nebenher am Telefon mit Menschen unterhält, die man nicht sieht. Im Haus laufen viele wie ich herum, die bei dem Blatt, bei dem sie ihr Volontariat absolviert haben, hängen geblieben sind. Sie besetzen die leeren Plätze derer, die in den Ruhestand gegangen sind. Neueinstellungen gibt es in Zeiten der wirtschaftlichen Flaute ja nicht. Ich schreibe hauptsächlich Kinokritiken. Weil das zum Leben nicht reicht, lungere ich außerdem in den anderen Ressorts rum, um Aufträge abzugreifen.
    Aber erst mal muss ich mir einen Kaffee vom Automaten holen und dann vielleicht noch mal kurz bei eBay nachsehen, ob ich das schmal geschnittene, schwarze Kleid von Boss ergattert habe. Das würde ich dann zur Lesung tragen. Vielleicht kaufe ich mir auch noch ein Glätteisen. Ich habe gelesen, dass die neuen Exemplare mit Keramikbeschichtung nicht mehr so schädlich für die Haare sind.
Und glattes, schulterlanges Rotgoldhaar würde zu dem Kleid einfach besser aussehen als eine ungleichmäßige Naturwelle, bei der in willkürlichen Stufen die abgebrochenen Spitzen abstehen – wenn man nicht Unmengen von klebrigem Zeug reinschmiert. Das tue ich nur ungern, weil ich in irgendeinem Frauenmagazin gelesen habe, dass die in den Produkten enthaltenen Silikone die Haare so verstopfen, dass sie keine Pflegestoffe mehr aufnehmen können und schließlich noch kaputter aussehen.
    Während ich noch so sinniere, laufe ich am Kaffeeautomaten beinahe in André rein. André ist Sportredakteur. »Hallo, Juli. Komm, ich gebe dir einen Kaffee aus.«
    Das ist ein nettes Angebot. Und André ist auch wirklich sehr nett. So nett, dass man von ihm eigentlich nicht mal einen Automatenkaffee annehmen möchte, weil man das Gefühl hat, ihn irgendwie auszunutzen oder ihm falsche Hoffnungen zu machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihm gefalle, er macht jedenfalls keinen Hehl daraus. In den Blattkritiken lobt er immer meine Artikel, und wenn ich mal Unsinn rede, hört er mir ganz ernsthaft interessiert zu. Dass ich dabei so ein schlechtes Gewissen habe, liegt daran, dass ich aktiv zu seiner Begeisterung für mich beigesteuert habe. Als ich in diesem Haus anfing, habe ich nämlich ein wenig mit ihm geflirtet. Warum auch nicht, er ist schlank, sportlich und hat ein hübsches Gesicht. Ich habe damals aber schnell begriffen, dass ich seine Leidenschaft für Minigolf
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