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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Autoren: Jana Seidel
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niemals teilen würde und er sich etwas zu sehr bemüht, mir zu gefallen. Nicht sexy.
    Â»Oh, vielen Dank. Aber eigentlich wollte ich nur einen Schokoriegel«, sage ich schnell und werfe meinen Euro in
den Süßigkeitenautomaten nebenan. André sieht enttäuscht aus, und ich bin auch nicht glücklich. Weder habe ich Lust auf ein Würstchen noch auf eine Tüte Erdnüsse oder einen der Schokoriegel mit sonnengebleichter Verpackung. Egal, ich nehme den Schokoriegel.
    Â»Hast du schon eine Verabredung zum Mittagessen?«
    Das ist das Ärgerliche an Menschen, die einen mehr mögen, als sie es sollten. Man fühlt sich schon von einer unverfänglichen Einladung bedrängt und wird sauer, weil man ganz ohne Aufwand nicht aus der Nummer rauskommt. Dann fühlt man sich wegen dieser negativen Gedanken schuldig und wird dadurch noch abweisender. Warum kann es nicht immer bei allen Menschen eine Gleichzeitigkeit des Empfindens geben? Das Leben wäre so viel einfacher.
    Â»Ich habe leider nachher noch einen Termin.«
    André lächelt gequält.
    Â»Aber demnächst müssen wir das unbedingt mal wieder machen«, füge ich schnell hinzu.
    Als ich mit dem Schokoriegel die Treppe zur Kulturredaktion hinaufsteige, kommt mir ein tiefgreifender Gedanke: Wie soll Rafael mich in der Masse vermutlich überwiegend weiblicher Zuhörer überhaupt entdecken? Wenn wir füreinander bestimmt sind, wird er mich natürlich ohne Probleme finden. Dennoch, vielleicht sollte ich dem Chef sicherheitshalber vorschlagen, dass ich vorab mit Rafael ein Interview unter vier Augen mache. Dann erkennt Rafael mich bei der Lesung wieder, was ihm eine gewisse Vertrautheit inmitten all der unbekannten Gesichter vermitteln und uns schon gleich näherbringen könnte. Genau, lieber auf Nummer sicher gehen. Wieso habe ich nur noch nie etwas von ihm
gehört? Ich krame in der Tüte. Die Titel klingen vielversprechend. »Das Wesen der Spiegel«, »Die Muskeln der Blume«, »Orpheus’ Rache«. Ziemlich tiefsinnig, philosophisch und poetisch. Auf jeden Fall stammen sie von einem Mann mit Abgründen, die es zu erforschen gilt. Da öffnet sich die Tür, und Diana betritt den Raum. Ich versuche schnell, die Bücher in der Tüte verschwinden zu lassen, aber sie reißt blitzschnell eines an sich und quietscht: »Oh, Rafael Bleibtreu – den finde ich so toll! Hätte aber nicht gedacht, dass der dir gefällt.«
    Â»Wieso nicht?«
    Â»Na ja, du machst ja immer so einen bodenständigen Eindruck.«
    Das sollte ich eigentlich als Kompliment verbuchen, weil das wirklich noch nie jemand zu mir gesagt hat. Aber der Satz kommt von Diana und heißt deshalb im Klartext nichts anderes als: »Dir ungebildeten Kuh fehlt die Tiefe, um die Schönheiten der Kunst wahrhaftig zu begreifen.« Und das ausgerechnet von ihr, die unter Recherche versteht, im Internet bei Wikipedia abzuschreiben.
    Â»Zufälligerweise werde ich ja über seine Lesung schreiben. Ich bin so gespannt, ihn kennenzulernen – ich glaube, wir haben wahnsinnig viel gemeinsam«, fährt das hinterhältige Luder fort.
    Ganz kurz zweifele ich tatsächlich daran, dass Rafael – ich nenne den Mann meines Herzens beim Vornamen – und ich füreinander bestimmt sind. Andererseits kann er sich seine Leser nicht aussuchen. Wäre das anders, würde er sich von Diana ganz sicher nicht lesen lassen. Zumindest ist ihr offenbar der Einfall mit dem Interview noch nicht gekommen.
Sie wird vor Wut kochen, wenn ich von meinem Treffen wiederkehre.
    Â»â€™allo Juli, ’allo Diana«, grüßt uns Paul Picard, als er unser Büro betritt. Sein Vater und Namensgeber ist Franzose, und Picard findet es deshalb nicht unangebracht, die Mädels mit seinem aufgesetzten, französischen Akzent zu becircen. Toni und ich verkürzen seinen Namen hinter seinem Rücken zu »PaPi«, weil er immer so einen auf Sugar-Daddy macht.
    Toni arbeitet auch für den Hamburger Morgen , als Literaturredakteurin. Sie hat viel schneller studiert als ich, deswegen früher ihr Volontariat begonnen und noch eine der letzten Festanstellungen ergattert. Aber der Verlag wäre auch dämlich gewesen, sie nicht zu behalten. Toni hat einfach Klasse. Sie wirkt immer selbstsicher und entspannt. Ich wünschte wirklich, ich wäre ein bisschen mehr wie sie.
    Â»Hast du dir das Kleid von
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