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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Autoren: Jana Seidel
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Tagen.
    Aber heute bin ich nicht in der Lage, mich dem Berg der Schuld zu stellen, der aus den Tatsachen besteht, dass ich zu selten zu Besuch komme, dann zu schnell wieder abreise und auch sonst nicht zur pausenlosen Belustigung tauge. Deswegen stelle ich meine Ohren auf Durchzug.
    Â»Nerve ich dich etwa?«, fragt sie irgendwann im Verlauf des Gesprächs empört.
    Â»Nein, natürlich nicht, Mama.«
    Â»Nie komme ich hier raus aus dem Kaff. Und ich muss einfach mal wieder in den Urlaub fahren, einfach mal raus hier. Aber dein Vater stellt sich quer.«

    Ich verstehe ihn gut. Im Gegensatz zu ihr geht er als Physikprofessor einem geregelten Broterwerb nach, und sie fahren ohnehin schon dreimal im Jahr in den Urlaub. Ein weiteres Mal stürzt sie sich mit ihren überspannten Freundinnen in Abenteuer, zu denen zählt, unter Alkoholeinfluss ihre Wirkung auf jüngere Männer zu testen. Ich hoffe ja nur, dass Tanja, Toni und ich nie so enden werden. Und ich ahne, was nun kommen wird.
    Â»Sollen wir drei nicht mal wieder verreisen? Nur wir Mädels?« , fragt meine unerschrockene Mutter.
    Innerlich schreie ich. Vor ein paar Jahren sind Mama, meine Schwester Ruth und ich gemeinsam eine Woche nach Rom gefahren. Am Ende der Woche hatte sie uns durch alle Museen gejagt, und wir mussten sie mit Mühe davon abhalten, im Trevi-Brunnen zu baden. Sie verplante jede Sekunde nach ihrem Gutdünken, zählte in jedem Café auf, welche Promis hier schon verkehrten, und erklärte uns, warum wir genau dort nun auch sitzen müssten. Ich bin mir sicher, dass sie keinen der Namen gekannt hatte, bis sie im Reiseführer auf ihn gestoßen war. Aber wie unser Vater wehren auch Ruth und ich uns nur selten gegen die Launen unserer Mutter. Es ist einfach zu anstrengend. Am letzten Tag lagen bei Ruth und mir die Nerven blank. Wir konnten einfach nicht mehr. Wir planten den Widerstand und sagten unserer Mutter, dass wir den Verlauf dieses Tages bestimmen würden: Ein einfacher Spaziergang mit anschließendem Kaffeegenuss in einem zufällig entdeckten Café. Ruth ist die Mutigere von uns, sie ergriff das Wort. Mama war entsetzt. Sie wurde ganz blass. »Aber in dem Café, in das ich mit euch wollte, saß schon Fallsack.«

    Â»Balzac«, ächzte Ruth.
    Mama umklammerte den Reiseführer in der Hand, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten, und flüsterte: »Aber ich hatte mich doch schon so darauf gefreut. Warum wollt ihr mir denn den Urlaub verderben? Wir können doch auch einmal machen, was ich mir wünsche!«
    Da rastete Ruth aus: »Wir haben alles getan, damit du einen schönen Urlaub hast! Wir haben alles gemacht, was du wolltest! Jetzt können wir einfach nicht mehr! Wir machen uns heute einen entspannten Tag, und wenn du unbedingt noch Zeit mit Balzac verbringen willst, dann kannst du es doch auch einmal alleine tun!«
    Â»Aber dann habe ich keine Freude daran. Ich dachte, alles, was wir gemacht haben, hätte euch auch gefallen. Wenn ich gewusst hätte, dass ich euch nur quäle, wäre ich einfach zuhause geblieben.«
    Â»Es hat uns ja auch gefallen, aber …«
    Â»Na, dann könnt ihr doch heute auch einmal etwas für mich tun.«
    Wir müssen ein göttlicher Anblick gewesen sein: zwei erwachsene Frauen, die wie eine düstere, aber immer noch brave Version von Hanni und Nanni hinter ihrer innerlich triumphierenden, wenngleich nach außen hin immer noch schmollenden Mutter hertrotteten.
    Deswegen muss ich einen vergleichbaren Urlaub verhindern, der nur in Muttermord enden kann. »Ich würde ja so gerne, aber ich muss so viel arbeiten, dass ich es in nächster Zeit einfach nicht schaffe«, sage ich hastig.
    Das ist nur halb gelogen. Dummerweise kann ich jetzt nicht auch noch ablehnen, am Wochenende zu Besuch zu
kommen. Ich lege mit dem blöden Gefühl auf, wieder mal von ihr ausgetrickst worden zu sein.
    Dann fällt mein Blick auf das Wahrheitsbuch von Peter auf dem Tisch. Hätte ich ihr sagen müssen, dass die »Nurwir-Mädels«-Reise die schrecklichste meines Lebens war, und ich sie niemals wiederholen will? Nein, das hätte sie schließlich verletzt und ihr das Gefühl gegeben, dass ich nichts mit ihr zu tun haben will, was ja so nicht stimmt. Und wäre das nicht noch unehrlicher gewesen als eine Lüge, die ihr das Gefühl vermitteln sollte, dass ich letztendlich für sie irgendwie auch
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