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Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Eigentlich bin ich eine Traumfrau

Titel: Eigentlich bin ich eine Traumfrau
Autoren: Jana Seidel
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Hrithik aber raffiniert«, meint Toni, »die haben die Geschwisterlichkeit einfach zehn Jahre lang vorweggenommen. Dann kann ja nur noch ein Leben voller Leidenschaft und grandiosem Sex auf sie warten.«
    Tanja wird rot. Und ich schweige lieber, weil ich daran ja nicht glaube. Ich habe mich noch nie in einen Mann verliebt, zu dem ich mich nicht von Anfang an hingezogen fühlte. Ich unterstelle diesen ehemals nur freundschaftlich verbundenen Paaren eher Bequemlichkeit und die Angst vor den unberechenbaren Risiken der freien Wildbahn. Vermutlich machen diejenigen, die von einer Freundschaft in eine Beziehung geschlittert sind, anschließend genauso geschwisterlich weiter, was sie letztendlich von anderen langjährigen Paaren nicht unterscheidet. Die verbindet aber zumindest immer noch die Erinnerung an eine Phase heißer Leidenschaft. Ach, das Leben ist einfach zu kompliziert, die Erwartungen zu hoch. Man sollte Ehen wieder arrangieren, und Frauen von der ohnehin nur lästigen Berufstätigkeit befreien. Dann sind sie abhängiger und können es sich nicht leisten, gutverdienende Männer wie Thomas zu verlassen, die im Grunde alles richtig gemacht haben. Da haben wir nun endlich die neuen Männer, die über Gefühle sprechen und aufmerksam sind, und träumen immer noch von den unterbelichteten Typen aus amerikanischen
Altherrenromanen, die ihre Schwiegertöchter flachlegen und ihre Frauen anschweigen. Schwieriges Terrain. Vielleicht sehen meine Freunde das insgeheim genauso, denn wir wechseln rasch das Thema. Ausgehend von der mystischen Bedeutung meines neuen Kissens sind wir plötzlich mittendrin in der lebhaftesten Diskussion über die neue Esoterikwelle. Tanja glaubt an westliche Sternzeichen, Peter an fernöstliche. Hrithik, Toni und ich glauben an gar nichts und machen uns über sie lustig. Ich habe insgeheim ein schlechtes Gewissen dabei. Rein intellektuell lehne ich den neu aufkeimenden Boom natürlich wirklich ab. Und selbstverständlich glaube ich auch nicht ernsthaft an Horoskope. Aber ich lese sie doch zu gerne. Und wenn ich gerade mal einen Partner habe, lese ich den Text für dessen Sternzeichen gleich mit, um dann in helle Aufregung zu geraten, wenn dort eine Tendenz zu Affären oder Abenteuern angekündigt wird. Ekelhaft, dieser ganze Irrglaube.
    Â»Ich möchte, dass es mal wieder ein Roman in die Bestsellerlisten schafft, in dem kein Vampir auftaucht oder die größte Liebe erst im Jenseits möglich ist«, sagt Toni gerade aufgebracht.
    Â»Ja. Und Sachbücher, in denen es nicht ums Pilgern, Ayurveda oder Engel geht«, pflichte ich ihr schnell bei.
    Â»Ich meine«, sagt Toni, »alle Hollywood-Schauspieler sind doch jetzt Buddhisten oder Hindus oder sonst was. Das ist doch absurd. Oder könnt ihr euch umgekehrt vorstellen, dass sich ein hinduistischer Bollywood-Schauspieler plötzlich einen Rosenkranz ums Handgelenk schlingt, Wasser aus Lourdes trinkt und sich dazu – in absoluter Verkennung
der Unterschiede der westlichen Religionszugehörigkeiten  – Luthers Thesen in dekorativem Tribal-Rahmen aufs Schulterblatt tätowieren lässt?«
    Tanja wirft flugs einen Blick auf Hrithiks Hände, als wolle sie nach dem Rosenkranz suchen. Hrithik sieht nämlich fast genauso aus wie sein Namensvetter, der indische Superstar Hrithik Roshan. Unwirklich hübsch für einen Mann. Hellbraune Augen unter langen schwarzen Wimpern und dazu ein paar Zahnreihen, gegen die Tom Cruises Veneers dunkelgelb aussehen. Er ist zwar Jurist, aber selbst meine Mutter würde einem Typen mit diesem Äußeren die spießbürgerliche Berufswahl verzeihen. Ich habe mich allerdings nie zu ihm hingezogen gefühlt. Das wäre so, als würde man sich in Barbies Ken verlieben. Zu glatt, zu perfekt.
    Mich beschleicht der Gedanke, dass Toni Recht hat. Anscheinend ist alle Vernunft aus der Alten Welt und ihrem Sprössling, den USA, abgezogen und in die östliche Welt abgewandert. Die bauen jetzt riesige Firmen, Atomwaffen und gigantische Einkaufszentren und verpesten die Umwelt, während wir uns in »Entschleunigung« üben. Eigentlich haben sie uns schon besiegt. Darauf noch einen Gimlet.
    Â»Bringst du mir noch einen mit?«, ruft Toni, als ich aufstehe, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
    Am Ende sitzen wir alle betrunken am Küchentisch und spielen mein Lieblingsspiel: Schauspieler über fünf Ecken
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