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1167 - Die Tochter des Dämons

1167 - Die Tochter des Dämons

Titel: 1167 - Die Tochter des Dämons
Autoren: Jason Dark
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In ihrem Beruf als Erzieherin war sie tagsüber stark eingespannt. Nach Feierabend musste sie sich immer etwas hinlegen und eine halbe Stunde schlafen. Danach war sie dann wieder fit. Die achtundzwanzigjährige Frau ging oft auf den Friedhof. Zwei bis drei Mal die Woche. Sie hatte ihren Vater sehr geliebt, denn er war es gewesen, der sie aufgezogen hatte. Die Mutter war kurz nach ihrer Geburt verschwunden. Alina konnte sich nicht an sie erinnern. Es hatte nicht einmal Fotos von ihr gegeben. Ihr Vater war so enttäuscht gewesen. Er hatte keine Erinnerungen an sie akzeptiert. Und er hatte nie mehr geheiratet. Seinen Beruf - er war selbständiger Grafiker gewesen - hatte er von zu Hause aus ausüben können. Das war der damals kleinen Alina sehr entgegengekommen. Auch ein Kindermädchen hatte ihm geholfen. Die meiste Zeit jedoch hatte sich der Mann selbst um die Erziehung seiner Tochter gekümmert.
    Alina hatte sehr an ihrem Vater gehangen. Zu früh, viel zu früh war er gestorben, und er hatte zudem keinen natürlichen Tod erlitten. Er war auf schreckliche Art und Weise umgebracht worden.
    Man hatte ihn getötet und ihm danach beide Augen ausgestochen. Alina und auch den untersuchenden Polizeibeamten war klar gewesen, dass dieser Mord keine »normale« Bluttat war. Das sah schon mehr nach einem Ritual aus, durch das Henry Wade ums Leben gekommen war.
    Alina hatte ihren Vater wahnsinnig geliebt. Oft genug hatte sie das Gefühl gehabt, nicht allein auf der Welt zu sein. Der Vater war einfach noch da. Er befand sich in ihrer Nähe, um seine schützende Hand über sie zu halten. Besonders stark war der Kontakt zwischen den beiden immer am Grab des Verstorbenen gewesen.
    Alina hatte sich darüber Gedanken gemacht. Sie dachte dabei an Verbindungen zwischen zwei Menschen, die über den Tod hinausgingen. Erklären konnte sie es sich nicht. Sie wollte es auch nicht.
    Sie nahm es schlichtweg hin und dachte nicht daran, sich dagegen zu wehren. Für sie war es ein Phänomen.
    Irgendwie war ihr Vater nicht ganz gegangen. Diese Gedanken behielt sie für sich. Mit ihren wenigen Freunden hatte sie darüber nicht gesprochen. Sie hätten auch kein Verständnis dafür gehabt, aber Alina hatte sich schon Gedanken über gewisse Zwischenwelten gemacht, die durchaus existieren konnten.
    Der oder die Mörder ihres Vaters waren nie gefasst worden. Sie konnte sich auch keinen Grund vorstellen, weshalb man ihm die Augen ausgestochen hatte. Aber es musste ein Motiv geben, und darüber zerbrach sich Alina auch ein halbes Jahr nach dem Tod des Vaters den Kopf. Wenn sie intensiv darüber nachdachte, wusste sie eigentlich wenig über ihn. Er hatte sich immer um sie gekümmert, war nett und lieb, manchmal auch streng gewesen, doch sein Innerstes hatte Henry Wade seiner Tochter nicht offenbart.
    So war Alina letztendlich davon überzeugt, dass es im Leben des Vaters ein Geheimnis gegeben hatte, und sie hatte sich vorgenommen, dieses Geheimnis zu lüften. Sie war sogar davon überzeugt, dass sie es schaffen würde, denn bei gewissen Dingen ging sie mit dem Kopf durch die Wand. Da gab es keinen, der sie stoppen konnte.
    Die Strecke zum Grab kannte sie im Schlaf. Sie ging über die gepflegten Wege. Sie hörte das Knirschen der kleinen Steine unter ihren Schuhsohlen, und sie hatte die Geräusche als eine Friedhofsmelodie bezeichnet. Ebenso wie das Zwitschern der Vögel, die in den dicht belaubten Bäumen saßen oder über das Gelände hinwegflogen. Sie waren dabei, den Toten ein Lied zu singen.
    Der Tag war sonnig, aber nicht zu warm gewesen. Der Wind wehte aus nordwestlicher Richtung.
    Hin und wieder hatten sich auch dicke Wolken vor die Sonne geschoben. Da war es dann richtig kühl geworden.
    Um diese Zeit am Abend atmete der Friedhof aus. Es wurde noch ruhiger auf dem Gelände. Die Menschen, die Alina begegneten, gingen alle in die andere Richtung. Um diese Zeit wurde der Friedhof verlassen und nicht mehr besucht. Es waren zumeist ältere Frauen und Männer, die Gräber ihrer Verstorbenen gepflegt hatten.
    Auch das Grab ihres Vaters war sehr gepflegt. Alina sorgte dafür. Zugleich hatte sie es in Pflege gegeben, denn sie war nicht so geschickt wie ein richtiger Gärtner, und sie wollte, dass das Grab immer perfekt aussah.
    Auch an diesem Tag hatte sie frische Blumen gekauft. Fünf gelbe Rosen. Ihr Vater hatte diese Blumen so geliebt, und auch Alina mochte sie sehr. Den in Papier eingewickelten Strauß trug sie in der rechten Hand. Beim Gehen schwenkte
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