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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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gebärdete sich, als habe er uns seit drei Monaten nicht mehr gesehen. Irgendwie verhakelte er sich mit den Pfoten in der Tischdecke und ich konnte gerade noch die Terrine mit den Spagetti hochnehmen, ehe der gesamte schäbige Rest auf den Fußboden landete. Merke: Leben mit Tieren ist außergewöhnlich lehrreich, aber porzellanfeindlich.
    »Das sind ja nur Teller.« Rodenstock machte sich auf den Weg, um einen Besen und eine Kehrschaufel aufzutreiben.
    »Was soll ich ihr nun sagen, wenn sie kommt?«, fragte Emma.
    »Sag ihr, was du willst, ich bin nicht ihr Gegner.«
     
    Wenig später startete ich in den Fall, von dem ich drei Tage lang keine Notiz genommen hatte. Mir war mulmig zu Mute. Es war ein Gefühl ganz nah bei der Angst. Morde an Kindern kann ich nicht begreifen, will ich nicht begreifen, sind einfach ekelhaft.
    Automatisch stellte sich mir die Frage: Was weißt du eigentlich von Hildenstein? Natürlich hatte ich die Geschichtsbücher gelesen: Hildenstein – Geschichte eines Eifelstädtchens. Aber was war hängen geblieben?
    Fränkische Gräber, keltische Gräber. Eisengewinnung. Augustinerkloster. Adolf Hitler war in seinem Sonderzug durch Hildenstein gefahren, als er den Westwall besuchte. Was noch? Wenig oder nichts, Bruchstücke. Muss man eigentlich etwas wissen?
    Ich stoppte den Wagen und rief Rodenstock an. »Verrat mir bitte, wo sich das Haus der Eltern befindet.«
    »Es gibt an der Nordecke der Gemeinde eine Siedlung mit ungefähr vierzig neuen Häusern. Die Straße heißt Am Blindert. Das letzte Haus auf der rechten Seite. Dahinter sind Felder, dann kommt dieses Wäldchen, Amor-Busch, in dem das Mädchen gefunden wurde.«
    »Danke dir. Glaubst du, dass du Kischkewitz in seiner Mobbingsache helfen kannst?«
    »Nein«, erwiderte er. »Wie kommst du darauf! Wir sind Freunde und er fragt mich ab und zu nach meiner Meinung. Aber, verdammt nochmal, ich bin Rentner, ich habe keine Stimme mehr, niemand würde auf mich hören.«
    »Ich dachte, man kann etwas über diese Fachzeitschrift Der Kriminalist machen. Die veröffentlichen oft Leserbriefe zu aktuellen Themen und Mobbing ist ein aktuelles Thema. Öffentlichkeit kann schaden, aber sie kann auch nutzen.«
    »Du fängst ja wieder an mitzudenken«, sagte er langsam.
    »Dann werde ich mal rumtelefonieren und mich möglichst ekelhaft benehmen. Aber pass auf dich auf, du bist noch in der Erholungsphase.«
    »Ja, Papi.«
    Ich betrachtete den Bach, der sich rechts von mir bildhübsch und unverdorben durch die Wiesen schlängelte. Forellen tummelten sich darin, Insekten tanzten über dem Wasser und fünfzig Meter entfernt stand ein Graureiher im Flachwasser und tat harmlos. Cisco auf dem Hintersitz schlief den Schlaf der Gerechten und schnarchte leise.
    Wie nähert man sich einer kleinen Stadt, in der ein Mädchen getötet worden ist? Sie hatte keine Chance bekommen, ihr Leben zu leben, jemand hatte den Faden brutal durchtrennt. Ich kannte viele der Umstände, die zu den Morden an den kleinen Geschwistern in Eschweiler geführt hatten. Ich hatte über den Fall Dutroux in Belgien gelesen, der vor Gericht Widerliches aussagte, von Auftraggebern sprach, die ihren Spaß mit kleinen, gequälten, hilflosen Mädchen suchten. Die immer mehr davon haben wollten.
    Was, um Gottes willen, ist das für eine Welt? Hatte ich allen Ernstes vor, in diese Welt hineinzukriechen, mich wie ein Leichenfledderer in ihr zu bewegen und meine Träume von diesen menschlichen Abgründen bestimmen zu lassen? Ich dachte etwas panisch: Sei auf der Hut, Baumeister, denn wenn du damit beginnst, kannst du nur schwer umkehren.
    Plötzlich bemerkte ich hinter mir eine Bewegung. Cisco stellte die Pfoten auf meine Sitzlehne und leckte hündisch mein rechtes Ohr.
    »Hör zu«, sagte ich. »Die Geschichte wird wahrscheinlich mies, spießbürgerlich, unglaubwürdig, ekelhaft blutig und anderes mehr. Aber wir machen sie. Wir haben Tante Anni am Hals, die unbedingt sterben will. Wir erwarten Vera, die ich einmal geliebt habe und die gegangen ist, weil ihr das nicht reichte. Wir haben also genügend zu tun. Lass uns anfangen.«
    Er hüpfte auf den Beifahrersitz und von dort auf meinen Schoß. Die Pfoten landeten auf meinem rechten Unterarm, als wollte er sagen: Gib Gas, Alter!
    So zockelten wir los und Cisco jaulte vor Vergnügen.
    Nun erinnerte ich mich plötzlich an die Geißler in der Geschichte Hildensteins. Katholische Priester, die auf der Kanzel standen und mit mächtigen Worten die kleinen
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