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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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melancholisch. Nimm das Kuvert und besuche mich im Krankenhaus. Und jetzt mach dich an die Arbeit.«
    Widerspruch war zwecklos. Ich stand auf und ging hinaus. Ich stand neben dem Auto in der Sonne und musste heftig schlucken. Den Brief warf ich ins Handschuhfach, sollte ihn lesen, wer wollte.
    Wenige Minuten später zockelte ich gemächlich über den Berg nach Heyroth.
    Emma sagte: »Ich wette, sie hat dir ein Testament oder so was in die Hand gedrückt.«
    »Gewonnen.«
    »Und was steht drin?«
    »Ich will es nicht wissen.«
    »Dann komm, ich schmeiße die Spagetti ins Wasser. Rodenstock schiebt schon missmutig Kohldampf.«
    Kurz darauf beugte sie sich über einen ihrer edlen Töpfe und rührte mit einem Holzlöffel darin herum. »Da ist noch etwas«, murmelte sie gepresst.
    »Raus damit, ich habe heute sowieso Sprechstunde.«
    »Vera hat angerufen. Sie will herkommen, nicht zu dir. Sie ist voll auf die Nase gefallen in der Pressestelle des LKA.«
    Emma hob den Kopf und lächelte schnell. »Aber natürlich will sie eigentlich dich sehen und nicht uns.«
    »Ich möchte einen feisten Weißwein zum Essen!«, rumpelte Rodenstock scharf von nebenan.
    »Kischkewitz kommt heute Abend vorbei«, erklärte Emma seine Aggressivität. »Der steht kurz davor, seinen Job hinzuschmeißen. Denn sein Gegner hat ihm Annegrets Leiche geklaut.«
    »Wie bitte?«
    »So ist es«, bestätigte Rodenstock hinter mir empört.
    »Was bin ich froh, dass ich dem Scheißverein nicht mehr angehöre!«
    »Was ist denn passiert?«
    »Annegrets Leiche ist von einem Spaziergänger entdeckt worden. Der hat natürlich sofort die Polizei alarmiert und dann natürlich jeden, der ihm über den Weg lief, über seinen Fund informiert. Und blitzschnell machte die Botschaft die Runde: Annegret liegt im Amor-Busch. So heißt das winzige Wäldchen. Die Kriminalisten sind losgeschossen und wollten den Fundort sichern. Aber währenddessen kamen schon die Eltern und zahllose andere Hildensteiner über den Acker gelaufen. Und sie ließen sich nur schwer davon abhalten, zu der Toten durchzubrechen. Hysterische Schreierei, völlig hilflose Polizeibeamte, weil entschieden zu wenig. Die Mutter der Kleinen ist unter den Bäumen zusammengebrochen. Es muss schrecklich gewesen sein. Und dann passierte es: Kischkewitz’ Stellvertreter entschied in reiner Panik: Wir bringen die Tote weg, sonst läuft das hier aus dem Ruder! Eine Stunde später kam Kischkewitz, wollte die Leiche selbstverständlich in situ belassen, alle Aspekte in Ruhe abklären – und die Leiche war weg.«
    »Dafür müsste man den Kerl zwanzig Jahre auf die Galeere schicken. Wie kann man so dämlich sein?«
    »Der Mann ist überzeugt, er habe absolut richtig gehandelt. Angeblich hat er sofort mit dem Innenministerium in Mainz telefoniert und sich dessen Segen geholt. Jedenfalls ist die scheußliche Folge des Ganzen, dass es noch nicht einmal mehr möglich ist, festzustellen, ob die Kleine auch dort gestorben ist, wo sie gefunden wurde.«
    »Es gibt Essen, Leute«, mahnte Emma.
    »Wie heißt dieser Stellvertreter eigentlich?«, wollte ich wissen.
    »Klemm«, sagte Rodenstock mit viel Verachtung. »Adolf Klemm.«
    »Und was ist jetzt mit dem Auffindungsort?«
    »Gesichert durch Absperrung in einem Durchmesser von rund einhundert Metern und …«
    »Spagetti!«, blaffte Emma. Dann grinste sie mich an: »Du hast jetzt ziemlich viel an den Hacken, wie ihr Deutschen so sagt.«
    »Was ist mit Vera? Wann kommt sie?«
    »Auch heute Abend. Aber du kannst ihr ja ausweichen«, antwortete Rodenstock.
    »So ein gewaltiger Stuss«, kommentierte Emma, kochlöffelschwingend. »Setzt euch endlich!«
    Anfangs aßen wir schweigend. Als Rodenstock dann fragte, wie ich mich der Geschichte Annegret nähern wollte, wusste ich keine schnelle Antwort.
    »Schleich wie immer um den Fundort herum«, sagte Emma. »Geh in Kneipen, rede mit den Leuten.« Sie schnaufte unwillig: »Wieso bringe ich dir eigentlich deinen Job bei?«
    »Weil du ein hilfsbereiter Mensch bist«, lächelte Rodenstock. »Die Spagetti sind fantastisch, ich werde Wolken von Knoblauch ausstoßen und für den plötzlichen Tod unendlich vieler Kleinlebewesen und Einzeller verantwortlich sein.«
    Plötzlich gab es draußen ein mörderisches Geheul und wir mussten lachen.
    Mein Hund Cisco hatte gelernt, die knapp zweitausend Meter bis zu Rodenstocks Haus zu rennen und dann zu heulen wie ein Bärenjunges, dem die Mutter abhanden gekommen ist. Emma ließ ihn rein und er
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