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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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schonungslos aufzuschreiben.
    »Ich bin eine richtig betuliche, depperte Alte. Dauernd versuche ich, mich selbst übers Ohr zu hauen!« Fluchen konnte sie wie ein Droschkenkutscher.
    Sie hatte vor nicht allzu langer Zeit entschieden, ihre alte Heimat Berlin hinter sich zu lassen und in die Eifel zu ziehen. Wir waren zusammen in die Hauptstadt gefahren und hatten vor ihrem Haus gestanden. Sie hatte kein Wort gesagt, nur das Haus angestarrt, in dem sie ein Leben lang mit ihrer Geliebten glücklich gewesen war. Sie hatte still geweint, nach meiner Hand gegriffen und schwer geatmet. Wir blieben noch nicht einmal über Nacht. Tante Anni war mutterseelenallein in ihre Bank spaziert, hatte die notwendigen Aufträge veranlasst und mit versteinertem Gesicht Abschied von der Stadt genommen, in der sie eine Mörderjägerin gewesen war und in der Verwandte versucht hatten, ihr das Haus auf eine Art abzujagen, wie man vor zweihundert Jahren dumme Eingeborene auf anderen Kontinenten zu betrügen versucht hatte.
    Die Hauseinrichtung hatte sie dem Verein der Obdachlosen geschenkt. Auf dem Rückweg in die Eifel in Höhe der Raststätte in Garbsen sagte sie resolut: »Ich habe Hunger und ich brauche einen Schnaps.« Es endete damit, dass sie keinen Bissen aß, aber in aller Gemütsruhe sechs doppelstöckige Birnenschnäpse in sich hineinschüttete. Bald darauf war sie eingeschlafen und hatte bis weit hinter Dortmund volltönend geschnarcht. Seither hatte sie über Berlin nicht mehr geredet, nur geschrieben.
    Ich sah den Wagen von Detlev Horch vor dem Haus parken. Als ich anhielt, kam er heraus.
    Ganz ohne Umschweife, wie das so seine Art ist, sagte er:
    »Sie gefällt mir nicht, aber sie hat versprochen, ins Krankenhaus zu gehen. Ein paar Tage nur, um festzustellen, was eigentlich los ist. Sie … Na ja, ich möchte keine Pferde scheu machen. Ich bin wieder hier, wenn der Krankenwagen kommt.«
    Ich bedankte mich und ging hinein.
    Tante Anni lag in ihrem Bett und hielt sich einen Spiegel vor das Gesicht. Ohne den Blick von dem Spiegel zu nehmen, bemerkte sie: »Ich hätte eigentlich erst zum Friseur gehen sollen. Ob die Bianca mich im Krankenhaus besuchen und herrichten kann?«
    »Sicher tut sie das, wenn du sie bittest. Aber eigentlich ist das doch Blödsinn, wenn du nach zwei, drei Tagen wieder hier sein wirst.«
    »Das weiß man nie so genau, nicht wahr?« Sie legte den Spiegel auf das Bett: »Setz dich.« Ihr Gesicht war das wunderschöne Gesicht einer alten Frau, die genau weiß, wie das Leben spielt. »Was treibst du zurzeit?«
    Ich setzte mich auf einen Hocker, der neben dem Bett stand. »Ich fuhrwerke an ein paar Themen herum, an die ich nicht glaube. Vorhin haben die Hamburger angerufen. Ich soll die Sache der verschwundenen Annegret in Hildenstein recherchieren. Sie ist heute Mittag gefunden worden. Mit eingeschlagenem Schädel und vielleicht missbraucht.«
    »Mord an einem Kind ist immer etwas ganz besonders Schreckliches. Es berührt und verstört uns zutiefst. Na ja, das weißt du selbst. Ich habe in der Zeitung von ihr gelesen, ich bin gespannt, was man herausfindet.« Sie richtete ihren Blick auf mich. »Ich möchte einiges mit dir abklären, damit wir später keine Probleme bekommen.«
    »Wieso Probleme? Wieso später?«
    »Es könnte ja sein, dass mir etwas geschieht.«
    »Du liegst im Bett, hast wahrscheinlich irgendeinen Infekt und willst mit mir über das Sterben reden. Und du willst gut frisiert sterben.«
    »So ist es. Natürlich sollte ich ein Testament machen, so richtig beim Notar. Aber das ist mir zu mühselig. Deshalb habe ich einen Brief geschrieben.« Sie reichte mir ein Kuvert.
    »Du bist jetzt Besitzer meines gesamten Geldes. Du und Emma. Und ich will eingeäschert werden. Ich will keinen Grabstein, ich will nur das kleine Plakat Wiese über mir, sonst nichts.« Sie lächelte. »Du kannst ja einen kleinen Zweig in die Erde bohren, damit du mich wiederfindest, wenn du mit mir reden willst. Sonst redest du nachher auf dem Friedhof noch mit einem wildfremden Menschen. Ich sage das alles nur für den Fall, dass was schief geht.«
    »Darf ich eine Frage stellen?«
    Als sie nickte, fragte ich: »Du willst wirklich sterben?«
    »Das ist bei uns Menschen so ein kleines Problem. Man will es, man will es nicht. Auf jeden Fall ist es so, dass ich es erwarte. Sicherheitshalber.«
    »Du bist noch lange keine hundert. Du beziehst eine gute Rente. Das würde ich ausnutzen.«
    »Ach Gottchen, Junge, sei doch nicht so
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