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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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gar nicht gemerkt, dass Ihr Sohn in der Tür stand. Sie machen mich ärgerlich, wenn Sie sich anmaßen zu entscheiden, was man Kindern sagen kann und was nicht. Die Kinder, die ganze Clique, hat gewusst, was Sie und Ihre Frau treiben. So, und jetzt einmal ganz vorsichtig weiter. Kevin, ihr seid also oben bei der Liebeslaube gewesen. Du bist erst traurig und dann furchtbar wütend geworden. Und du bist durch diese blöden Brombeerranken zurückgekrochen, hast dich auf dein Fahrrad gesetzt und bist losgefahren. Direkt zum Amor-Busch. Du hast nämlich gewusst, dass die Annegret da war, weil sie mit Gerd Salm verabredet war. So war es doch, oder?«
    Er nickte.
    »Was ist passiert, Kevin, als du zu Annegret gekommen bist?«
    »Sie hat mich in den Arm genommen. Das hat sie oft gemacht. Immer wenn ich nicht gut drauf war.«
    »Warum, um Himmels willen, hat es denn Streit gegeben? Streit war doch gar nicht nötig, es war doch alles wieder in Ordnung.«
    »Ich war so schrecklich wütend, ich weiß auch nicht warum. Ich hab gesagt, ich schneide dem Polen die Eier ab.«
    Der Vater zuckte zusammen. Griseldis Schmitz hinter uns ließ ein erschrockenes »Oh« hören.
    »Aber Annegret hat dir gesagt, das sei keine Lösung. Annegret war der Meinung, dass man die Erwachsenen in Ruhe lassen sollte. Hatte Annegret nicht mal gesagt: Liebe müssen wir selbst machen?«
    »Ja.«
    »Wie ging es weiter, Kevin?«
    »Sie hat gesagt, ich geb dir was zum Trösten. Und dann hat sie sich … dann hat sie sich ausgezogen. Und sie hat gesagt, ich dürfte meinen Kopf in ihren Schoß legen und dann würde alles wieder gut.«
    »Das ist Vergewaltigung!«, sagte Herbert Schmitz erregt.
    »Die Kleine hat unseren Sohn vergewaltigt.«
    Das wirkte so grotesk, dass selbst seine Frau empört schnaufte. Kischkewitz betrachtete den Unternehmer mit erstaunten Augen.
    »Niemand hat Ihren Sohn vergewaltigt«, stellte ich fest.
    »Oder hat Annegret dich vergewaltigt, Kevin?«
    »Nein«, sagte er. »Das hat sie nicht. Sie hat nur gesagt, ich sähe auch gut aus.«
    »Du warst auch nackt?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Und du warst so aufgeregt, dass es dir passierte, nicht wahr?«
    »Ja. Sie hat mich gestreichelt.«
    »Und dann hat sie etwas gesagt, was dich verrückt gemacht hat?«
    »Ja.«
    »Was war das, was hat sie gesagt?«
    »Sie hat gesagt, ich wäre noch klein und harmlos und sollte Gerd nichts erzählen, weil eigentlich nur Gerd gut für sie wäre. Und sie hat gesagt, mein Penis sei … also, sie hat gesagt …« Er brach ab.
    »Rede ruhig weiter«, bemerkte Kischkewitz. »Das ist nicht wirklich wichtig. Aber es wäre gut, wenn wir es wüssten.«
    »Mein Schwanz sei noch ziemlich klein, hat sie gesagt. Und dann sagte sie: Auch für deine Mutter reicht der nicht.«
    Er sah sich nach seiner Mutter um, die mit einem erstickten Wort reagierte, das niemand verstehen konnte.
    »Dann kam der Stein«, stellte Kischkewitz fest.
    Die Stille dröhnte.
    Der Junge sagte tonlos: »Ja, dann kam der Stein.«
    Kischkewitz stand auf und bewegte nickend den Kopf, als sei diese Szene eine ewige Wiederholung in seinem Leben. Wahrscheinlich war das so.
    »Ich nehme Ihren Sohn mit.«
    »Um Gottes willen!«, schrie die Mutter. »Kein Gefängnis.«
    »Ihr Sohn wird kein Gefängnis von innen sehen. Aber er muss zu Leuten, die sich um seine Seele kümmern. Das ist wichtiger als alles andere.«
    »Aber er hat keinen Verteidiger«, sagte der Vater. Sein Gesicht war bleich und von Schweißperlen überzogen.
    »Er braucht keinen Verteidiger«, sagte Kischkewitz. »Es wäre gut, gnädige Frau, wenn Sie ihm ein paar Sachen einpackten.« Das ›gnädige Frau‹ kam daher wie ein Peitschenhieb.
    »Ich gehe dann mal, mein Alter. Ich sehe dich später«, murmelte ich.
    »Ja«, sagte er. »Du musst als Zeuge aussagen. Das weißt du?«
    »Sicher. Ich bin daheim und erreichbar.«
     
    Ich fand mich dann hinter dem Steuerrad wieder, ich weinte. Es dauerte eine ganze Weile, ehe ich losfahren konnte.
    Ich musste in Hamburg Bescheid sagen, dass ich eine wunderbare Geschichte hatte. Nicht sagen würde ich, dass ich beinahe darin versackt wäre.
    Ich rannte durch mein Haus, das zum Glück verwaist war, und war in großer Hektik. Schließlich fand ich eine Naturmedizin, die ich irgendwann einmal gekauft hatte, als es mir schlecht ging. Auf der Packung stand: Die Einschlafkapseln fördern auf natürliche und bewährte Weise den gesunden und erholsamen Schlaf und geben somit Kraft für den nächsten Tag …
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