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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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hinfahren?«
    »Nicht nötig. Ich fahre hin. Wie geht es dir?«
    »Na ja, wie immer. Entschieden zu langsam.«
    »An was arbeitest du?«
    »Das weiß ich auch nicht so genau.«
    Sie lachte und legte auf und ich fühlte mich angesichts ihres positiven Lebensdranges elend.
    Günter von nebenan schlurfte hinter dem Haus entlang, sah mich und meinte leicht verlegen: »Du siehst im Moment nicht so aus, als hättest du die Arbeit erfunden.«
    Ich erwiderte, er habe Recht, aber er selbst würde auch nicht den Eindruck erwecken, als würde er sich danach drängen. Pingpong.
    »Im Moment nicht«, gab er zu. »Aber ich habe eine Gefährtin gefunden. Und da hat man dann Lust auf anderes.«
    Das war nun wirklich ein Grund, Freude zu empfinden, und ich sagte begeistert: »Herzlichen Glückwunsch. Wer ist die Arme?«
    »Tja«, antwortete er mit der typischen Zurückhaltung der hiesigen Bevölkerung, »die kennst du sowieso nicht.«
    Vorläufiges Ende der Unterhaltung.
    Er machte ein paar Schritte auf den Teichrand zu, beugte sich vor, starrte ins Wasser, richtete sich wieder auf, drehte sich langsam zu mir und erklärte schließlich doch in dürren Worten: »Ich lag ja im Krankenhaus. Und neben mir lag ein junger Mann, der immer Besuch von seiner Mutter kriegte. Dann war der Junge gesund und verschwand. Nur seine Mutter, die kam weiter. Zu mir.«
    Da schimmerte stählerner Lebenswille auf, das war Eifeldramatik pur, da schallte das Jagdhorn. »Und? Wie ist sie?«
    »Klasse, würde ich sagen. Sie ist ein paar Jährchen älter, aber was macht das schon?«
    »Gar nix!«, stimmte ich zu. »Halt sie fest.«
    Er strahlte und nickte: »Das will ich wohl.« Mit der Betulichkeit eines Tanzbären verschwand er um die Hausecke.
    »Wisst ihr«, erklärte ich Hund und Kater, »solche erfreulichen Besuche sollten wir öfter verzeichnen. Aber ihr liegt nur rum und guckt angewidert. Das baut nicht auf, das ist kontraproduktiv. Blöde Bande!«
    Wie aufs Stichwort kam Rodenstock in seinem neuen Auto angeschossen, einem schwarzen, unscheinbaren Seat mit vier Zylindern und lächerlichen 247,5 PS. Er ließ das Vehikel auf meinen Hof krachen, als sei er vom Himmel gefallen, schlug die Wagentür kanonenschlagartig zu und trabte auf die Terrasse.
    Fröhlich tönte er: »Na, du bist ja schon auf. Erstaunlich.«
    »Ich warne dich, ich bin schlecht gelaunt.«
    »Macht nichts. Hast du einen Kaffee da und eventuell einen Kognak und dann noch …«
    »Ja, ja, ich weiß schon. Nur eine Zigarre habe ich nicht.«
    »Aber ich!«, strunzte er und zog einen Glimmstängel aus der Brusttasche seines Hemdes, der durchaus Ähnlichkeit mit einem Ofenrohr hatte. »Monte Christo«, lautete die Verkündigung. »Raucht auch unser Kanzler.«
    »Hauptsache, bei dem raucht überhaupt noch was«, kommentierte ich giftig, ging aber in die Küche, goss ihm einen Kaffee ein und einen vierfachen Carlos III in der vagen Hoffnung, es möge nicht zu dick kommen. Natürlich fand ich auch noch zwei, drei Riegel tiefschwarze Herrenschokolade, die so trocken war, dass es staubte, und die seine Verdauung für Tage lahm legen würde.
    Ich kannte Rodenstock schon seit Jahren. Wenn er in dieser Stimmung war, nahm er einen langen, hochkonzentrierten Anlauf auf irgendein Thema, das ihn beseelte. Es konnte durchaus geschehen, dass bei dem Gespräch absolut nichts herauskam, weil das Thema eigentlich kein Thema war. Es war allerdings auch möglich, dass er einen Plan ausgeheckt hatte, wie man am schnellsten den Restkommunismus aus China vertreibt oder den Eskimos Eisstangen verkauft. Ein paar Tage zuvor hatte er mit aller Gewalt diskutieren wollen, wie man George W. Bush dazu bringen könnte, einen Crashkurs in Weltgeschichte zu belegen, um anschließend das Buchstabieren von Dritte-Welt-Staaten zu lehren. Er war der beste Freund, den ich im Leben hatte, aber er war zuweilen verdammt anstrengend.
    Jetzt saß er in der Sonne und zelebrierte Rodenstock pur. Er brach eine winzige Ecke Schokolade ab und legte sie sich mit verklärtem Gesichtsausdruck auf die Zunge. Er lutschte ein wenig, eigentlich war es nur ein Hauch von Lutschen. Dann trank er einen kleinen Schluck Kaffee, gefolgt von einer Winzigkeit Brandy. Schließlich grinste er wie ein Honigkuchenpferd und sagte: »Wunderbar!« Fehlte nur noch, dass er schnurrte. Er riss ein Streichholz an und hielt es an die Zigarre. Eingehend beobachtete er, was das Streichholz mit der Zigarre machte, und ich gewann den dumpfen Eindruck, er wollte mich in
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