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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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den Wahnsinn treiben. Das zweite Streichholz folgte und noch immer zog Rodenstock nicht an dem gewaltigen Glimmstängel.
    Nun strahlte er mich an und seufzte: »Diese Welt ist heute einfach überwältigend schön!« Erst dann kamen ein größeres Stück Schokolade, ein normaler Schluck Kaffee, ein größerer Schluck Brandy und ein gewaltiger Zug aus der Knasterrolle. Er beugte sich sanft zu Cisco und kraulte ihn hinter dem Ohr. »Braves Vieh«, sagte er leutselig. Satchmo kraulte er nie.
    »Lass es raus!«, forderte ich.
    Er spitzte den Mund, schloss die Augen und intonierte den Satz: »Also, diese Isabell, ich sage dir, diese Isabell ist einfach super, ein Superweib mit sagenhaften Aussichten. Selbst wenn sie jetzt im ersten Anlauf auf die Schnauze fällt, so wird sie letztlich kein Mensch stoppen können. Irgendwann ist sie voll da, und dann muss sich drum herum alles verdammt warm anziehen. Sie ist die geborene Siegerin. Ihre Gegner werden zittern.«
    Da nichts folgte, wagte ich zu fragen: »Und wer sind die Gegner?«
    Rodenstock teilte mit einem gewaltigen Handkantenschlag die Luft vor seinem Bauch und trompetete: »Gegner eben. Die CDU, die SPD, die Grünen, die Freien Wähler, notfalls auch die FDP. Schlicht alle.«
    Er tat mir irgendwie Leid, aber er musste zurechtgestutzt werden.
    »Wenn du mir verraten würdest, von wem du redest, könnte ich mich an dem Gespräch beteiligen.«
    Ein missbilligender Blick traf mich. »Ich rede von Isabell«, schnaubte er empört.
    »Das habe ich schon verstanden. Aber wer, bitte, ist das?«
    »Wo lebst du?«
    »Zurzeit auf meiner Terrasse.«
    »So weit ist es mit dir gekommen! Du bist richtig abgedreht, du weißt nicht mal, wer Isabell ist. Dabei redet die ganze Eifel von Isabell. Seit Wochen. Ach, was sage ich, seit Monaten.« Er wirkte richtig biestig.
    »Wenn du mich mit einfachen Worten auf den neuesten Stand bringen könntest, wäre ich dir von Herzen dankbar.«
    »In der Verbandsgemeinde Jünkersdorf wird demnächst ein neuer Verbandsgemeindebürgermeister gewählt«, sagte er mit gesenkten Lidern, als könnte er mich nicht neben sich sehen, ohne Ekel zu empfinden. »Natürlich hat die CDU einen Kandidaten aufgestellt, genauso wie die Freie Wählergemeinschaft. Und dann kam Isabell Kreuter, parteilos. Die Frau ist achtunddreißig, hat eine kleine Tochter und einen ordentlichen Ehemann. Und weil die CDU dachte, dass ihr Kandidat sowieso gewinnt, hat sie sich nicht sonderlich angestrengt. Und nun wird es heiter: Die Isabell macht Punkte und der CDU-Kandidat steht fahl und blässlich daneben. Die Ortsbürgermeister verfallen in Panik, weil sie nahezu alle von der CDU sind, in jedem Fall stinkkonservativ.« Er schwieg.
    »Wo ist die Sensation?«
    Er starrte mich an, als sei ich aus einem Raumschiff gefallen. Mehrere Male machte er »Phh, phh«, schüttelte den Kopf. »Baumeister, du musst krank sein. Ich glaubte, du seiest ein Journalist. Das ist in der Eifel seit 1948 nicht passiert, dass … Ach, was sage ich? Isabell Kreuter ist nicht von der CDU, hat eine Witterung, die durchaus grün gestreift ist, und sie ist eine Frau. Allein dass sie kandidiert, ist für die Eifel die absolute Sensation. Sag mal, liest du keine Zeitung mehr?«
    »Also gut, die Isabell ist eine Eifelsensation. Was weiter?«, sagte ich teilnahmslos.
    »Ich bin im falschen Film«, äußerte er und warf ein Stück Bitterschokolade ein, trank seinen Brandy in einem Zug aus. Dann schüttete er Kaffee nach und zog so gewaltig an seinem Lötkolben, dass sein Gesicht in einer Qualmwolke verschwand. »Was ist los mit dir, Junge?«
    Satchmo sprang auf meinen Schoß.
    »Ich weiß nicht«, gab ich zu. »Ich laufe nicht in der richtigen Spur.«
    »Und du weißt den Grund nicht?«
    »Nein.«
    »Du hängst seit Wochen in deinem Bau herum, grübelst nach, hast keine richtige Aufgabe, findest dich selbst mies und das Leben ist sowieso eine Qual. So was in der Richtung?« Er beugte sich vor und musterte mich besorgt.
    »So ungefähr«, nickte ich.
    »Würdest du sagen, du leidest an einer Depression?«
    »Rodenstock, ich weiß es nicht. Ich habe wirklich keine Ahnung, weshalb ich so beschissen dran bin. Falls ich dir auf den Geist gehe, verschwinde doch einfach wieder.«
    »Oh, der Kleine wird auch noch unhöflich.« Er blickte hinüber zur Kirche. »Dir ist nicht zu helfen.«
    Satchmo krallte sich auf meinem rechten Oberschenkel fest und durchstieß mühelos den Jeansstoff. Es schmerzte und ich schubste ihn
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