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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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Letzte, der Annegret lebend gesehen hat. Was genau passiert ist, weiß ich nicht. Kevin ist wohl ausgeflippt, weil er vorher seiner Mutter und dem Polen zugeguckt hat. Er hatte das Gefühl, weder Vater noch Mutter zu haben. Und Annegret war immer diejenige, zu der er geflüchtet ist, wenn die Welt über ihm zusammenschlug. Also hat er sich wohl vollkommen verzweifelt an ihre Brust gelegt und sie dann erschlagen. Er hat zuletzt ›Scheißweiber!‹ gebrüllt. Das hat Anke noch mitgekriegt.«
    Kischkewitz sagte eine ganze Weile nichts. Dann meinte er: »Na gut. Wahrscheinlich bekomme ich jede Menge Ärger, weil ich jetzt eigentlich einen Psychologen hinzuziehen müsste – aber das will ich nicht. Die stören nur. Also, was soll’s. Auf ins Finish. Du hältst dich aber zurück, übernimmst nur den Anfang. Das kriegst du besser hin, weil du mehr weißt. Dann bin ich dran.«
    Er fuhr den Wagen hundert Meter weiter, wir stiegen aus und schellten. Es war Griseldis Schmitz, die kurz darauf in der Haustür stand. Sie hatte keinen Humor mehr im Blick, sie ahnte wohl etwas.
    »Wir müssen mit Kevin sprechen«, sagte Kischkewitz direkt.
    »Gibt es was Neues?«, fragte sie beunruhigt.
    »Das wird sich herausstellen«, sagte Kischkewitz.
    Plötzlich tauchte hinter ihr Herbert Schmitz auf und polterte: »Ich denke, dass mein Sohn schon genug gelitten hat. Was wollen Sie denn noch?«
    »Mit ihm reden«, erklärte Kischkewitz freundlich. »Selbstverständlich können Sie teilnehmen.«
    »Und wenn ich meinen Anwalt anrufe?«
    Kischkewitz atmete laut aus. »Dann bin ich gezwungen, Ihren Sohn mitzunehmen. Die Sache verträgt keinen Aufschub.«
    Die Eltern schwiegen sekundenlang, dann entschied der Herr der Vulkanschlacken: »Also gut, kommen Sie rein.«
    Er führte uns wieder in sein Büro, griff zum Telefon und sagte: »Kevin, kommst du bitte mal zu mir?« Dann wies er uns Stühle an. »Wollen Sie einen Kaffee oder was anderes?«
    »Nein, danke«, lehnte Kischkewitz ab.
    Griseldis Schmitz war hinter uns stehen geblieben und fragte: »Wieso haben Sie einen Vertreter der Presse dabei?«
    Es klang scharf.
    »Herr Baumeister ist als Zeuge hier«, stellte Kischkewitz fest. »Das hat mit seinem Beruf nichts zu tun.«
    »Zeuge wofür?«, fragte Schmitz.
    »Warten Sie es ab.«
    Der Junge kam herein und es war seinem Gesicht anzusehen, dass er einen Sturm erwartete. Seine Augen glitten unruhig hin und her, seine Bewegungen waren stockend. Er setzte sich auf einen Stuhl rechts von uns.
    »Die Herren wollen dir ein paar Fragen stellen«, sagte der Vater. »Bitte, meine Herren.« Er stellte in seiner Unsicherheit eine ungeheure Arroganz zur Schau.
    »Kevin«, begann ich so sanft wie möglich, »wir wollen noch einmal auf den Donnerstag zurückkommen. Ihr habt erzählt, ihr seid nach der Schule jeder für sich mit dem Rad rumgefahren. Inzwischen habe ich erst mit Gerd Salm gesprochen, anschließend mit Bernard und Anke. Ich weiß jetzt, was wirklich gewesen ist.«
    Wir warteten, was geschehen würde, aber es geschah nichts.
    »Bist du einverstanden, dass ich dir erzähle, was ich weiß?«
    Kevin sah kurz hoch und nickte.
    »Gut. Also, ihr seid zu dritt losgefahren. Du, Bernard und Anke, nicht allein, wie ihr erst erzählt habt. Ihr seid direkt rauf in den Stadtwald geradelt. Wenn ich überlege, was Anke und Bernard gesagt haben, wart ihr gar nicht lange dort oben bei der Liebeslaube, vielleicht nur eine Viertelstunde.«
    »Moment«, sagte die Frau hinter uns heftig. »Ich möchte doch darum bitten, dass das …«
    »Frau Schmitz«, sagte Kischkewitz scharf, »Sie müssen sich damit abfinden, dass die Kinder, Ihr Sohn eingeschlossen, Sie die ganze Zeit beobachtet haben. Und zwar schon seit langem. Seien Sie nun bitte still, sonst kann Ihr Sohn nicht erzählen, wie er die Sache erlebt hat. Und es geht um Ihren Sohn, nicht um Sie!«
    »Aber es geht Kinder nichts an, was Erwachsene tun. Die Kinder können doch damit gar nichts anfangen.« Herbert Schmitz hatte einen hochroten Kopf und wedelte mit dem rechten Arm, als dirigiere er ein Orchester.
    »Sagst du es oder soll ich es sagen?«, fragte mich Kischkewitz sanftmütig.
    Ich musste grinsen. »Ich mach es. Wissen Sie, Herr Schmitz, es ist geradezu grandios, wie sehr Sie am tatsächlichen Leben Ihres Sohnes vorbeireden. Ihr Sohn hat seine Mutter und ihre Liebhaber in ihrer Liebeslaube beobachtet. Ihr Sohn hat Sie im Betrieb gesehen, wie Sie mit einer Sekretärin herumspielten. Es heißt, Sie haben
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