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Eifel-Träume

Eifel-Träume

Titel: Eifel-Träume
Autoren: Jacques Berndorf
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will Sie nicht ausfragen.«
    Er sah mich kurz und strafend an. »Das können Sie auch gar nicht. Ich sage nämlich nichts mehr. Ihre Branche ist total kaputt!« Der Mann war ein schlanker, fast hagerer Typ um die vierzig. Wahrscheinlich stammte er aus der Eifel, spät geborener Kelte.
    »Bis wohin darf ich denn gehen?«
    »Wir haben das Plastikband um den ganzen Busch gelegt, das sehen Sie ja. Sie können rundherum spazieren, aber nicht zwischen die Bäume und Büsche. Und lassen Sie Ihren Hund im Auto!«
    Ich nickte.
    Ich betrachtete das Elternhaus der kleinen Annegret. Es lag auf einer leicht nach unten geneigten Fläche ungefähr dreihundert Meter entfernt. Noch immer tummelten sich Leute mit Fernsehkameras davor. Zwischen dem Haus und dem Busch befand sich eine breite Wiese, dann folgten ein schon abgeernteter Ackerstreifen und wieder eine Wiese. Links von dem fast kreisrunden kleinen Wald weideten Pferde auf zwei Koppeln, dahinter baute sich der Hildensteiner Stadtforst scharfkantig hoch und abweisend wie eine Mauer auf.
    Das Bild vermittelte mir eine einfache, klare Botschaft – aber ich konnte den Gedanken nicht festhalten, er war mir im Bruchteil einer Sekunde wieder entglitten.
    Ich brachte den Hund zum Wagen und ging zu dem Uniformierten zurück. »Eine Frage habe ich doch. Wie ist es möglich, dass man sie erst nach drei Tagen gefunden hat?«
    »Ganz einfach«, sagte er, nun ein wenig freundlicher. »Sie lag in einer Geländefalte, elf Meter lang und nicht breiter als zwei bis zweieinhalb Meter. Rund einen Meter tief. Und sie war zugedeckt mit altem Laub und Zweigen.«
    »Und warum haben die Suchhunde sie nicht gewittert?«
    »Das weiß ich nicht. Und jetzt ist es ja auch egal.«
    Hinter uns rollte ein schwerer Mercedes heran und parkte neben meinem Auto. Kischkewitz kletterte mühsam aus dem Wagen und lief auf uns zu, stark vornübergebeugt mit einer schmalen Ledertasche unter dem linken Arm.
    Er begrüßte mich: »Hallo!«, und setzte schwer atmend hinzu: »Rodenstock hat mich angerufen und erzählt, dass du auftauchen wirst. Und dass du von dem Herumgeeiere hier am Tatort schon weißt. Mehr Informationen als den anderen kann ich dir nicht bieten. Das alles ist zum Kotzen.«
    »Kein Problem. Ich habe Zeit, wahrscheinlich bin ich hier der Einzige, der Zeit hat. Ist das Dr. Benecke in dem Zelt da?«
    »Ja, aber die Information unterliegt einer strengen Mediensperre. Obwohl es eigentlich schon jeder weiß.« Er lächelte schmal und zynisch.
    Der Uniformierte bewegte sich unruhig, sagte aber keinen Ton.
    »Mit anderen Worten, der Mann in dem Zelt versucht zu reparieren, was noch zu reparieren ist?«
    »Genau das.« Kischkewitz nahm die Ledermappe in beide Hände und zog einen Stapel Schwarz-Weiß-Fotos heraus. Es waren ungefähr zwanzig. »Wenn du dir das hier ansiehst, wirst du das ganze Ausmaß der Schweinerei begreifen, in die wir reingerutscht sind. Bei genauem Hinsehen kannst du feststellen, dass noch nicht einmal ein Maßstab ausgelegt wurde.«
    Der Uniformierte bekam Stielaugen und ich erklärte freundlich: »Wir sind Freunde. Das konnten Sie nicht wissen.«
    »So in etwa«, bestätigte Kischkewitz. Sein Gesicht war grau und erschöpft. »Ich habe diese Abzüge für Benecke machen lassen. Er muss wissen, wie wir die Tote aufgefunden haben. Schau sie dir an.« Unversehens wurde er rabiat.
    »Nun los, nimm sie schon.« An den Uniformierten gewandt setzte er hinzu: »Nach wie vor, kein Zutritt zu dem Wäldchen hier. Für niemanden. Und kontrollieren Sie auch unsere Kollegen, notieren Sie Zeitpunkt, Namen und Begründung, weshalb sie unter die Bäume wollen.«
    Ich hatte ihn noch nie so bitter sprechen hören, deshalb schwieg ich, nahm die Fotos und ging zu meinem Auto.
    Ich setzte mich hinters Steuer und starrte auf etwas, was ich niemals mehr im Leben vergessen werde.
    Das Mädchen Annegret in einer Totalen auf einem dicken Kissen aus altem Laub. Es war noch im Tode schön. Die Augen waren weit offen, leblos wie tote Teiche. Die Haare hellblond und lang, der Kopf leicht beiseite gedreht, als weigere Annegret sich, ihren Mörder ansehen zu müssen. Sie trug einen einfachen, dunklen Pulli und ihr Unterleib war schrecklich nackt. Das linke Bein leicht angezogen, das rechte weit abgespreizt. Es wirkte obszön und gleichzeitig war es voll rührender Unschuld.
    Die anderen Fotos zeigten das Mädchen aus anderen Blickwinkeln, dann kam ein Detailfoto von ihrer linken Kopfseite. Der Schädel war eingeschlagen,
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