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Eifel-Sturm

Eifel-Sturm

Titel: Eifel-Sturm
Autoren: Jacques Berndorf
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altertümlichen, mit rotem Plüsch bezogenen Sofa.
    »Ich bin hier«, sagte sie müde. »Hier ist das, was von mir übrig ist. Nimm dir ein Bier oder einen Wein oder was auch immer. Haben wir schönes Wetter?«
    »Sehr schönes Wetter, fast zu heiß. Wie lange hockst du hier schon?«
    »Na ja, seit Montagmorgen, als ich angerufen wurde.«
    »Wer rief dich an?«
    »Die Bullen, wer sonst? Wie geht es Anna?«
    »Ich weiß es nicht, ich bin selbst eben erst eingestiegen. Wo steht das Wasser?«
    »Da vorn, neben der Küchentür. Was meinst du, kriegst du einen Kaffee zusammen?«
    »Na sicher. Falls du welchen hast.«
    »Habe ich. Kaffee habe ich immer, den kaufe ich zentnerweise bei unseren belgischen Nachbarn in Losheim. Sag mal, die Zigaretten sind mir ausgegangen, kannst du welche besorgen? Da liegt irgendwo Geld rum, da vor dem Fernseher. Reval, bitte, alles andere ist Pipifax.«
    Sie sah schlimm aus, sah aus wie eine alte Frau, dabei war sie erst Mitte dreißig. Ihr Gesicht war eingefallen und grau, ihr Haar, das normalerweise henna-farben wie Lohe brannte, war strähnig und schmierig.
    Wahrscheinlich hatte sie sich nicht mehr gewaschen, seit sie von Drieschs Tod gehört hatte, und wahrscheinlich war ihr das jetzt auch nicht wichtig.
    Ich setzte den Kaffee auf und sagte dann: »Ich kaufe erst mal das Rauchzeug.« Ihr Geld ließ ich liegen und fuhr den Weg hinunter bis zur nächsten Kneipe.
    Der Wirt stand schmal, unglücklich und allein hinter seinem Tresen. Er nörgelte: »Wie geht es Wilma? Die hat es geschmissen, was? Das ist ja auch eine Sauerei! Die beiden waren ja ein Herz und eine Seele, obwohl man das eigentlich von den Parteien her nicht für möglich halten sollte. Na ja, irgendwie geht das Leben weiter, was?«
    »Ja«, nickte ich und verschwand wieder. Wahrscheinlich gehörte er zu denen, die sagten: »Wilma ist wirklich ein guter Typ!« Das, was sie nicht sagten, war: »Schade, dass sie eine Frau ist!«
    Der Kaffee war durchgelaufen und Wilma murmelte: »Du bist ein Schätzchen. Danke.« Sie riss die Packung auf und zündete sich eine an.
    »Vielleicht solltest du duschen«, sagte ich vorsichtig.
    »Was?« Sie starrte mich aus runden Augen an. »Ach, herrje! Ich stinke wahrscheinlich. Na klar stinke ich!« Sie lachte heiser und schüttelte sich.
    »Du solltest lauwarm duschen, du bist ja völlig fertig. Du hilfst Driesch nicht damit und Anna auch nicht, verdammt noch mal!«
    Eine Weile war es still, irgendwo tickte altmodisch eine große Uhr, ein kleiner Hund, ein Schäferhundwelpe, kam schwanzwedelnd hereingelaufen und fiepste erbärmlich.
    »Er heißt Cisco und ist mein Beschützer. In der Küche muss irgendwo eine Dose mit Hundefutter sein. Kannst du das übernehmen? Ja, du hast Recht, ich muss irgendwie von diesem Scheißsofa runterkommen.«
    Ich ging in die Küche, fand die Dosen, öffnete eine und der kleine Hund sprang an mir hoch und bellte kindlich. Ich stellte ihm die Schüssel auf den Boden und er legte seinen kleinen Körper flach davor und begann das Zeug zu schlabbern.
    Mein Handy meldete sich und Rodenstock fragte: »Wo bist du?«
    »Ich bin bei Wilma Bruns.«
    »Da will ich auch hin. Beschreib mir den Weg, bitte.«
    Ich tat es, dann krachte es hinter mir. Wilma war auf die Dielenbretter geschlagen, und sie saß da und schüttelte sich, als müsse sie zu sich kommen.
    »Hilf mir mal«, stöhnte sie verbissen, »verdammt!« Unvermittelt weinte sie leise.
    Ich hievte sie hoch und sie atmete keuchend.
    »Langsam, ganz langsam. Wo ist dein Badezimmer?«
    »Oben, die Treppe rauf.«
    Sie trug tatsächlich einen uralten Unterrock, blassrosa. Und sonst nichts.
    »Du bist richtig verrückt«, sagte ich und schob sie vor mir her.
    »Ich habe die Kontrolle verloren«, erklärte sie seltsam klar. »Das darf nicht passieren!«
    »Ist schon okay«, sagte ich. »In so einem Fall ... Da nimmt jeder eine Auszeit. Langsam, langsam, nicht so hastig.«
    Die Tür zum Badezimmer stand offen, es herrschte eine peinliche Ordnung.
    »Ich lass dir Wasser ein. Warte hier und halte dich an der Wand fest.« Ich öffnete den Warmwasserhahn und stöpselte die Wanne zu.
    »Er bedeutete sehr viel für mich, weißt du. Er war ein Mann, wie ich nie einen kriegen werde. Niemals. Ich kriege immer nur den Schrott.« Sie zog sich den Unterrock über den Kopf und griff nach meiner Hand. Haltlos kicherte sie. »Ich alte Frau komme da nicht alleine rein.«
    »Langsam, langsam, ich helfe dir ja. Hoch das Bein, in Ordnung. Jetzt das
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